Württembergische Synode beschließt Wahlrecht ab 14

Pusteblume

Nun ist es soweit:
14jährige dürfen ab sofort bei Kirchenwahlen ihre Stimme abgeben. So hat die Landessynode Württemberg entschieden.

Frage:
Findet in der Kirche eine inflationäre Absenkung des Wahlalters statt?
Denn erst vor einigen Jahren wurde das Wahlrecht von 18 auf 16 herabgesetzt.
So mancher von den Synodalen befürchten, dass die Jugendlichen gar nicht zahlreich an der Kirchenwahl teilnehmen und dadurch die Statistik weiter sinkt.

Ich sehe eine ganz andere Gefahr: Personen von 14 bis noch nicht 18 Jahren haben sogenannte "Erziehungsberechtigte oder Personensorgeberechtigte". Diese sind verpflichtet ihren "Erziehungsauftrag" wahrzunehmen. Jugendliche und Heranwachsende werden logischerweise auch in Bezug auf Religion von den Eltern beeinflusst. Diese erzieherische Beeinflussung schlägt sich logischerweise auch in den Kirchenwahlen nieder. Die Statistik kann nach oben steigen, indem Eltern quasi auch für ihre Kinder entscheiden.
Sind Manipulationen in der Kirche tatsächlich erwünscht?

Die gesetzliche Einordnung des Alters ist für eine Reihe von Lebenssachverhalten bedeutsam (Jugendarbeitsschutz, Jugendschutz, Jugendstrafrecht, Lebensalter...) Dies sollte eigentlich auch für kirchliche Tätigkeiten für Jugendliche gelten.

Frage von Pusteblume

Liebe Pusteblume,

die Herabsenkung des aktiven Wahlalters ist, so weit ich das den Veröffentlichungen der Synode der Württembergischen Landeskirche entnehmen kann, in der Tat lebhaft diskutiert und nur mit einer knappen Mehrheit verabschiedet worden.

Evangelische Landeskirche in Wuerttemberg wrote: Auch die Absenkung des Wahlalters von 16 auf 14 Jahren löste eine lebhafte Debatte in der Synode aus. Walter Keppler ("Lebendige Gemeinde") warnte vor einer "inflationären Entwicklung", wenn immerzu das Wahlalter gesenkt würde. Dem widersprach Angela Schwarz ("Kirche für morgen"): "Mich befremdet es sehr, die Einsichtsfähigkeit von Jugendlichen in Frage zu stellen. Wir trauen ihnen zu, sich in der Jugendarbeit zu engagieren oder ein Patenamt zu übernehmen. Aber sie sollen nicht wählen dürfen?" Als Vorsitzender des Ausschusses für Bildung und Jugend sagte Harald Klingler ("Lebendige Gemeinde"), dass der Ausschuss vor allem die Kirchengemeinderatswahl im Blick hatte. Zudem müsse jemand, der nicht wählen darf, weil er knapp unter 16 Jahren ist, warten bis er 22 ist, um das erste Mal wählen gehen zu dürfen. Dies wolle man abmildern. Dieser Antrag wurde mit knapper Mehrheit angenommen. (Link: http://www.elk-wue.de/landeskirche/landessynode/fruehjahrstagung-2012/fr...)

Ihre Befürchtung einer inflationären Absenkung des Wahlalters ist also auch vor Ort zu hören gewesen. Auch im bericht des Rechtsausschusses wurde deutlich, dass man es sich bei der Befürwortung des entsprechenden Antrags nicht leicht gemacht hat:

Christian Heckel, Rechtsausschuss wrote: Als nächstes möchte ich Ihren Blick auf das Wahlalter richten. In Art. 1 Nr. 3 schlagen wir vor, beim Wahlalter die Zahl „16“ durch die Zahl „14“ zu ersetzen. Diese Änderung geht zurück auf den Antrag Nr. 25/09, der (wie schon gesagt) auf eine Absenkung des Wahlalters zielt und eigentlich das Wahlrecht ab der Konfirmation einführen wollte. Weil die Konfirmation im jugendlichen Alter stattfindet, haben wir den Ausschuss für Jugend beteiligt. Beiden Ausschüssen war schnell klar, dass die Konfirmation als Wahlvoraussetzung ungeeignet ist, weil die Fähigkeit zur verantwortlichen Glaubensentscheidung für Christus mit der Fähigkeit zur verantwortlichen Wahlentscheidung wenig gemein hat und die Erstellung der Wählerverzeichnisse komplizierte neue Datenbanken erfordern würde.

Ernsthaft zur Diskussion stand daher nur die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre wie in der badischen und der bayerischen Landeskirche. Der Rechtsausschuss hatte anfangs Zweifel an der hinreichenden Einsichtsfähigkeit der Jugendlichen, und der OKR hat darauf hingewiesen, dass nach neuesten sozialwissenschaftlichen Studien der Uni Hohenheim die Jugendlichen generell weniger politisches Verständnis haben als junge Erwachsene, im Jugendschutz das Mindestalter fürs Trinken und Rauchen sogar angehoben wurde, Bayern und Baden ein anderes Wahlsystem haben und die Differenzierung innerhalb eines Konfirmandenjahrgangs beim Wahlrecht problematisch erachtet werde. Wir haben auch eine Unterscheidung zwischen Kirchengemeinderats- und Synodalwahlen erwogen, aber dies wäre organisatorisch sehr schwierig. Die durchaus begründeten Zweifel des Rechtsausschusses an der Einsichtsfähigkeit und Reife Vier-zehnjähriger hat aber dann der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Jugend mit dem einfachen Hinweis darauf ausgeräumt, dass es mit der Reife und Einsichtsfähigkeit der Erwachsenen in seinem Ausschuss auch nicht besser bestellt sei. Herr Klingler, habe ich die Ausschussberatungen so richtig zusammengefasst? Was können wir dem entgegensetzen? Weil wir das ohne Sachverständigenbeweis nicht überprüfen können und als Rechtsausschuss der Sachkunde des beteiligten Fachausschusses vertrauen, haben wir uns der Empfehlung des Ausschusses für Bildung und Jugend vom 1. April 2011 angeschlossen, das aktive Wahlalter auf 14 Jahre abzusenken und das passive Wahlalter bei 18 Jahren zu belassen. (Hier der ganze beitrag: LINK)

Die Aufgabe von Synoden und anderen demokratischen gesetzgebenden Versammlungen ist es, Mehrheitsentscheidungen herbeizuführen und dabei Bedenken zu hören. Dass sie völlig ausgeräumt werden, ist nicht möglich. Wenn Ihre Bedenken so groß sind, dass Sie die Mehrheitsentscheidung nicht mittragen können, haben Sie die Möglichkeit, sich an die entsprechenden Stellen zu wenden. Hier ein Link zur Liste der Synodalen der Württembergischen Landeskirche: http://www.elk-wue.de/landeskirche/landessynode/synodale-von-a-bis-z/?L=

Mit freundlichen Grüßen
Frank Muchlinsky

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