Kirchenglied auch ohne Glauben?

Alfred Mignon

Ich habe in einem Internetforum eine Person "kennengelernt", die die weltlichen Aufgaben und Anliegen der Kirchen unterstützt, aber an den geistlichen keinen Anteil nimmt. Gibt es für solche (reinen Vereins-) Mitglieder in einer der evangelischen Volkskirchen einen Platz? Mit anderen Worten: Kann jemand in eine evangelische Landeskirche eintreten, der bewußt nicht glauben will?

Sehr geehrter Herr Mignon, 

 

Ihre Frage berührt einen interessanten Sachverhalt, nämlich das Thema, wie Glaube und Kirchenmitgliedschaft sich verhalten. Von Beginn an gehört es nach evangelischem Verständnis zu den Erzähltraditionen des Christentums, dass sich Glaube auch außerhalb der verfassten Formen von Religion finden lässt. Ferner gehört es zum Glauben dazu, dass es keine hinreichenden sichtbaren Zeichen gibt, die auf Glauben schließen lassen. 

 

Nun stellen Sie die umgekehrte Frage, nämlich ob jemand, der sich explizit als jemand versteht, der nicht glaubt, Mitglied der evangelischen Kirche werden kann. Zunächst erst einmal gilt, was sich im Umkehrschluss aus dem oben Gesagten ergibt: Beim Eintritt in die evangelische Kirche findet formal keine "Glaubensprüfung" statt. Für mich als Pfarrerin stellt sich jedoch die Frage, welche Motivation jemand mitbringt, Teil einer Institution sein zu wollen, die aus Grundsätzen lebt, die jemand offensichtlich nicht teilt. Mir ist es wichtig deutlich zu machen, dass die Kirche nicht allein eine Solidar-, sondern auch und vor allem eine Glaubensgemeinschaft ist. Sie handelt nicht "weltlich" und glaubt dann "auch noch", sondern handelt aus ihren Glaubensgrundsätzen. Beides ist voneinander nicht zu trennen.  

 

Deshalb kann auch nur Mitglied der Kirche sein, wer getauft ist. Sollte Ihr "Bekannter" bislang nicht getauft sein, stellt sich die Frage, wie sich Überzeugungen und Handeln nach christlichen Grundsätzen zueinander verhalten, angesichts eines Taufbekenntnisses verschärft. Interessant erscheint mir hier ein Gespräch darüber, was ihn selbst denn motiviert, das Handeln, das er in der und durch die Kirche wahrnimmt, zu unterstützen. 

 

Eine Art "gestufter Mitgliedschaft", wie Sie sie möglicherweise im Blick haben, gibt es derzeit in den evangelischen Kirchen in Deutschland nicht. Zwar gibt es Menschen, die Kirchengemeinden oder kirchliche Einrichtungen regelmäßig mit einem solidarischen Beitrag unterstützen, ohne eingetreten zu sein - sie sind damit allerdings nicht (und auch nicht "ein bisschen") Mitglied der Kirche.

 

Dass die Kirche (immer) mehr ist, als ein Einzelner an ihr "wahrnimmt", ist allerdings für mich kein Hinderungsgrund, ein Teil von ihr zu sein. Nichts spricht dagegen, wenn jemand die Mitgliedschaft in der Institution Kirche begehrt, um sie in ihrem Handeln zu unterstützen. Dafür ist in der Volkskirche Platz.  

 

Viele Grüße

Friederike Erichsen-Wendt