Kündigt sich das Ende der Welt an?

Alfons Ullrich
Endzeitszenario mit Hirsch in ausgestorbener Stadt
©Getty Images/Boris SV

Lieber Herr Pfr. Frank Muchlinsky,
ich bin evangelisch, besuche regelmäßig Gottesdienste und lese auch in der Bibel. Ein kompliziertes Thema und hier bitte ich um Verständnishilfe scheinen mir die Weissagungen des Daniel sowie die Offenbarung des Johannes zu sein. Wie sind die Texte übersetzt in die heutige Zeit zu verstehen ? Kündigt sich das Ende an ? Wo stehen wir Ihrer Meinung nach jetzt ? Kann man die Handlungen in die aktuelle Zeitgeschichte übersetzen ( die Weltmacht USA, Putin, UNO, Diktatoren wie in Nordkorea usw., auch Personen aus der Geschichte, wie Stalin, Hitler etc. ) ? Danke für Ihre Hilfe !
Alfons Ullrich, Landshut

Lieber Her Ullrich,

mit Ihren Überlegungen und Fragen stehen Sie in einer guten und langen Tradition. Schon immer haben Menschen überlegt, ob man nicht aus den Schriften der Bibel, die sich mit dem Ende der Welt befassen, ableiten kann, wann es denn wohl so weit wäre mit dem Weltuntergang. Fakt ist: Die Vorstellung davon, dass es einmal mit der Welt, wie wir sie kennen, ein Ende haben wird, gehört zum Christentum von Anfang an dazu. Sie ist sogar eine der Voraussetzungen dafür, dass das Christentum überhaupt entstand. Die Reden Jesu selbst sind voll von Ankündigungen, dass Gott endgültig die Herrschaft über die Welt übernehmen wird. Dieses "Reich Gottes" setzt voraus, dass die Schöpfung Gottes völlig neu gemacht wird. Das wiederum heißt: Die alte Welt muss untergehen, damit die neue Welt geschaffen werden kann. Schon zu Jesu Lebzeiten wollten diejenigen, die ihm glaubten, wissen, wann es denn so weit sein würde, und Jesu Antwort war stets: Das Reich Gottes kommt, aber es gibt kein Datum. Wartet, haltet Euch bereit, es kommt. (So zum Beispiel im Gleichnis der Hochzeit und den Jungfrauen Mt 25,1-13 oder die Passage, in der Jesus davor warnt, denen zu folgen, die das reich Gottes als gekommen sehen Lk 21,7-11)

Die sogenannte Offenbarung des Johannes steht nun – ähnlich ein paar alttestamentliche Schriften – in der Tradition der apokalyptischen Texte, also Texte, die das Ende der Welt beschreiben. Da Jesus so sehr deutlich vom kommenden Reich Gottes gesprochen hatte, war es nicht verwunderlich, dass jede Generation, die auf ihn folgte, die Zeichen der Zeit deutete und sich fragte: Ist es nun so weit? Bereits kurz nach Jesu Tod und Auferstehung hatte sich das Kommen des Reiches mit der Wiederkehr Jesu verbunden. So wird es sein am Ende der Zeiten: Jesus kehrt wieder, die Toten werden auferstehen, Jesus Christus wird Gericht halten über alle Menschen, und schließlich werden die Gläubigen das ewige Leben in der neuen Schöpfung haben. Der Seher Johannes, der Verfasser des letzten Buches unserer Bibel, malt diese Vorstellung aus und bedient sich dabei noch einer anderen Tradition. Jesus hatte nämlich auch vorhergesagt, dass vor dem Kommen des Reiches Gottes große Leiden über die Gläubigen kommen würden. Die malt Johannes in den schrillsten Farben aus, denn er und seine Schwestern und Brüder im Glauben erleben selbst gerade ungeheure Verfolgung durch die Römer.

Im Grunde genommen macht also Johannes bereits das, was Sie, lieber Herr Landshut, vorschlagen: Er fragt sich: Kündigen nicht die schlimmen Umstände meiner zeit das nahe Ende an? Und Johannes sagt: Ja, so ist es. Und er schreibt all das auf, was er sieht und sieht in dem, was auf der Erde geschieht ein Spiegelbild für den großen Kampf des Goten gegen das Böse. Und dieser Kampf tobt sogar im Himmel. Engel und Monstren, Jungfrauen und Drachen, die ganze Schöpfung windet sich in Qualen wie eine gebärende Frau.

Im Laufe der Geschichte des Christentums wurden nun diese Visionen des Johannes selbst zum Anlass für Spekulationen. Man suchte nach Parallelen, nach Zeichen, wie sie der Seher geschaut hatte – und immer waren es die Wehen, die schrecklichen Ereignisse, die Qualen, die er beschrieben hatten, die als Anlass genommen wurden, das Ende der Welt als nahe herbeigekommen zu sehen. Es wurden sogar häufig Berechnungen durchgeführt.

Ich selbst bin als gläubiger Christ durchaus davon überzeugt, dass es ein Ende haben wird mit dieser Welt. Ich glaube, dass die Geschichte dieser Welt linear verläuft – mit einem Anfang und einem Ende. Aber ich nehme Jesus ernst, wenn er sagt: Versucht nicht, es zu berechnen und schreit nicht sofort: Da ist es!

Die Zeiten, die wir erleben, sind immer wieder besonders bedrohlich oder schrecklich. Zeichen für das Ende sind sie aber meines Erachtens nicht, vielmehr Zeichen für uns, dass wir den Mund aufmachen sollen und etwas gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung tun sollen. Das ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen – und zwar bis zum Tag, an dem unser Herr wiederkommt – wann immer das geschehen wird.

Sehr herzliche Grüße!

Ihr Frank Muchlinsky

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