christliche Patientenvorsorge

Gast

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) der römisch-katholischen Kirche in Verbindung mit den weiteren Mitglieds- und Gastkirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) haben gemeinsam die Christliche Patientenverfügung mit Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung herausgegeben. Bereits im ersten Kapitel steht fettgedruckt: "Ihr Wille zählt" Dann folgen seitenweise Behandlungswünsche, die angekreuzt werden können, z. B. Wiederbelebungsmaßnahmen sollen unterlassen werden. In diesem Zusammenhang erinnere ich das Vaterunser. Es ist das am weitesten verbreitete Gebet des Christentums und das einzige, das laut Aussage des Neuen Testaments Jesus von Nazareth selbst seine Jünger gelehrt hat. Es wird von Christen aller Kirchen und Konfessionen gebetet. Darin heißt es "...Dein Wille geschehe..." Was nun? Welcher Wille zählt? Frage: Wird die christliche Patientenverfügung zum Maß aller Dinge und zu einer billigen Lösung der Pflegemisere? Frage: Wird das Vaterunser zugunsten der christlichen Patientenvorsorge abgeändert? Mein Wille zählt und nicht Dein Wille. Sogar der Papst konnte in Frieden sterben - völlig ohne christliche Patientenvorsorge - und ohne dass er deswegen als Drückeberger in Erinnerung bleibt. Frage: Gibt es einen leibhaftigen Grund, warum die christlichen Kirchen das Sterben derart komplizieren?

Lieber Gast,

 

Ihre Frage berührt einen wichtigen Bereich des menschlichen Lebens, nämlich die Frage, wer entscheidet, wenn Menschen die Möglichkeit bevorsteht, nicht mehr für sich selbst entscheiden zu können. In diesem Zusammenhang haben Sie im Grunde zwei Anliegen. Zum einen wirken die Items der „Christlichen Patientenverfügung“ auf Sie unübersichtlich und kompliziert. Das mag daran liegen, dass diejenigen, die sich mit den Fragen darüber, wer im Fall von Betreuung, Pflege und am Lebensende entscheidet, sich diesen Fragen unter Ungewissheit stellen. Deshalb kann es hilfreich sein, möglichst genau im Vorfeld zu beschreiben, welchen medizinischen Maßnahmen man sich ggf. unterziehen würde und auf welche man verzichten möchte. Kompliziert daran erscheinen mir weniger die vielen möglichen Situationen, mit denen man konfrontiert ist, sie gedanklich vorwegzunehmen, als überhaupt die Tatsache, sich mit eigenen Begrenzungen und der eigenen Situation am Lebensende auseinanderzusetzen.

 

Hier mag auch eine Besinnung auf das zweite Thema helfen, das Sie ansprechen. Der Wille Gottes, der im Vaterunser angesprochen ist, liegt quasi „auf einer anderen Ebene“ als menschlicher Wille: Gottes Wille ermöglicht, dass wir Menschen über einen freien Willen im Sinne etwa von Entscheidungsfreiheit verfügen – weil Gott Menschen eben als sein freies Gegenüber geschaffen hat. Sich besonders in Grenzsituation darauf zu besinnen, dass dieser menschliche Wille von Gottes Wille „umschlossen“ ist, kann für schwierige Entscheidungen hilfreich sein.

 

Es grüßt Sie
Ihre Friederike Erichsen-Wendt, Pfrin.