Antworten suchen

wasgehtsiedasan

Liebe „Fragen Gemeinde“,

seit über fünf Jahren beantworte ich an dieser Stelle Fragen zu allem, was irgendwie mit Glauben, Religion oder Kirche zu tun hat. Viele Fragen kann ich aus dem heraus, was ich gelernt habe, beantworten. Bei anderen Fragen muss ich selbst erst einmal nachschauen, bevor ich eine Antwort gebe. Sehr häufig erreichen mich Fragen, die mich eher als Seelsorger ansprechen, denn als jemand, der Auskunft gibt. Viele Fragen haben sich im Laufe der Zeit wiederholt, vor allem wenn es um Themen wie Taufe oder Trauung ging. Aber auch die „großen“ Fragen tauchen immer wieder auf: „Wie kann ich, wie soll ich glauben?“ „Wie kann es so viel Leid geben?“ oder „Wie kann ich die Bibel verstehen?“ Immer wieder bekomme ich auch Fragen, die ich nicht beantworten kann, weil sie zum Beispiel einfach beleidigend oder plump provozierend sind. Einige Fragen sind schlecht verkleidete Meinungsäußerungen, andere erscheinen mir, als wären sie in besonders langweiligen Schulstunden verfasst worden.

Heute nun hat mich eine Frage erreicht, die ich eigentlich umgehend löschen wollte, weil sie mir ebenfalls wie ein wenig gelungener Streich vorkam. Aber dann habe ich erkannt, dass ich dazu doch etwas schreiben möchte. So lautet, was mich heute erreichte:

  • Betreff: „antworten“
  • Bitte geben Sie hier Ihre Frage ein: „ich suche antworten“
  • Ihr Name: „wasgehtsiedasan“

So steht es auf meinem Bildschirm. Wenn ich diese – wie gesagt ausgesprochen flapsig und knapp formulierte – Zuschrift ernst nehme, ist meine erste Reaktion: Ja, da geht es Ihnen wie unzählig vielen anderen Menschen: Sobald unser Bewusstsein einsetzt, fangen wir an, Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen. Der Säugling fragt sich: „Wo bekomme ich Nahrung her?“, schreit und als Antwort bekommt er die Brust der Mutter. Er fragt sich: „Wo bin ich geborgen?“, und als Antwort sind da die Arme der Eltern, die ihn halten. Das ist ein geradezu seliger Zustand, denn auf eine Frage gibt es zunächst auch nur eine Antwort. Sehr schnell aber wird es komplizierter, weil wir mehr als eine Antwort erhalten. Aus der ersten Bezugsperson werden mehrere und wir müssen abwägen und ausprobieren, wem wir unser Vertrauen schenken. Unsere Fragen vermehren sich explosionsartig. Wir beginnen die Welt um uns herum immer besser wahrzunehmen und dabei müssen wir uns selbst ebenso wahrnehmen, ausprobieren und zur Welt in Beziehung setzen. Das hört niemals auf und ich kann gut verstehen, wenn jemand wie „wasgehtsiedasan“ in die Welt hinausruft: „Ich suche Antworten!“ Ich höre in diesem Ausruf den Wunsch nach Klarheit, nach Eindeutigkeit, nach Verlässlichkeit, nach dem seligen Zustand des Kleinkindes, das schreit, und dann wird ihm die eine, passende Antwort präsentiert.

 

Je komplizierter uns die Welt erscheint, desto größer kann diese Sehnsucht werden, klare Antworten zu finden, die eindeutig sind und von niemandem – und schon gar nicht von uns selbst – infrage gestellt werden. Das – so versprechen wir uns – würde uns in Sicherheit wiegen und die Welt wieder überschaubarer machen. Ich sage nichts Originelles, wenn ich hier darauf hinweise, dass aus dieser Haltung leider auch Intoleranz und Extremismus entstehen können. Was mir aber bei dieser so kurzen Zuschrift besonders deutlich geworden ist, ist dies: Im Laufe unserer Biografie müssen wir lernen, aus der Fülle der Antworten, die wir auf unsere Fragen bekommen, eigene Antworten zu kreieren. Selbst Extremisten haben nicht auf alle Fragen dieselben Antworten. Selbst in einem totalitären Staat wird es niemals so etwas wie eine völlige Gleichschaltung geben können, weil die Fülle der Fragen und die der Antworten darauf einfach viel zu groß ist.

 

Insofern ist „Ich suche Antworten“ ein ausgesprochen guter Satz. Es müssen ja nicht die felsenfesten Antworten sein, nach denen man sucht. Es können ja auch die vielen kleinen Hinweise sein, aus denen wir unsere eigenen Antworten formen. Wenn das gelingt, brauchen wir im Grunde genommen nur noch eines: Genügend Größe, unsere eigene, selbst gemachte Antwort wiederum als eine Antwort unter unzählig vielen zu verstehen, die im Universum der Fragen und Antworten existieren.

 

Bei meinem weiteren Nachdenken über diese Zuschrift kommen mir auch die vielen Antworten in den Sinn, die ich hier gegeben habe und die tatsächlich eindeutig sind. „Wer ist ein Christ?“ Antwort: „Wer getauft ist, ist Christ“ Da gibt es kein Vertun, denn man hat sich darauf geeinigt. Wirklich? Ich kenne Menschen, die würden mit fester Stimme sagen, dass lediglich solche Menschen Christen sind, die sich aus ganzem Herzen immer wieder zu Jesus Christus bekennen. Natürlich gibt es auch wirklich eindeutige Antworten. „Wer ist derzeit der Ratsvorsitzende der EKD?“ „Heinrich Bedford-Strohm“ Doch solche Fragen erreichen mich in den seltensten Fällen. Meistens sind es Fragen, auf die es mehrere Antworten gibt, und es ist eine interessante Herausforderung für mich, genau diese Fragen so zu beantworten, dass alle, die meine Antwort lesen, sich aus meinem Antwortangebot ihre eigene Frage bauen können.

 

Also, lieber wasgehtsiedasan,

schön, dass Sie Antworten suchen! Schauen Sie sich auf diesen Seiten gern um. Alle Antworten, die ich hier gegeben habe, sind nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Sie enthalten durchaus meine Sicht der Dinge, denn wie anders sollte es sein! Suchen Sie weiter, aber verlernen Sie niemals, Ihre eigenen Antworten zu machen. Halten Sie mit Ihren Antworten nicht hinter dem Berg, aber bleiben Sie offen für die Antworten anderer. Freuen Sie sich an neuen Erkenntnissen und vor allem: Suchen Sie immer neue Fragen, denn sie sind es, die uns wirklich voranbringen.

 

Herzliche Grüße an Sie und alle hier!

Ihr Frank Muchlinsky

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