Darum dürfen Frauen Pfarrerinnen werden

Maren
Dürfen evangelische Frauen Pfarrerinnen werden?
©epd-bild/Peter Endig

Sehr geehrter Herr Muchlinsky,

ich studiere gerade im 3. Semester Theologie auf Pfarramt und beschäftige mich mit der Frage, ob Frauen nach Gottes Willen Pfarrerinnen werden dürfen. Mir ist es sehr wichtig, meine Meinung theologisch und biblisch fundiert begründen zu können. Im Internet finde ich allerdings hauptsächlich Argumentationen gegen die Frauenordination, oft auf 1. Tim. 2, 12 gestützt. Die Argumentation für die Frauenordination mit Gal 3, 28 wird sehr schnell widerlegt, weil es dabei nicht um Aufgaben in der Gemeinde, sondern vielmehr um das Heil ginge.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir helfen könnten und mir Ihre Sicht der Dinge erklären.
Mit freundlichen Grüßen,
Maren

Liebe Maren,

Gern will ich Ihnen schreiben, warum meiner Meinung nach die Frauenordination für evangelische Christinnen und Christen selbstverständlich ist. Dass Sie im Internet vor allem Argumente gegen die Frauenordination gefunden haben, liegt nicht zuletzt an einer Schieflage, die dieses Medium mit sich bringt. Die Möglichkeit, im Netz jede  noch so obskure Meinung allein dadurch stark zu machen, weil sie von vielen Leuten und immer wieder vertreten wird, führt dazu, dass man – wenn man sich selbst informieren will – das Gefühl bekommen kann, diese Meinungen seien die vorherrschenden oder gar "gültigen".

Was nun die Frauenordination betrifft, so finden Sie hier auf mehreren Seiten Gruppen und Einzelpersonen, die sich im Internet dagegen aussprechen, meistens mit der von Ihnen zitierten Stelle im Timotheusbrief ("Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still" 1.Tim 2,12). Hierzu hat die Evangelische Kirche in Deutschland einen ausgesprochen klaren Einwand formuliert:

"Die isolierte Betrachtung einzelner biblischer Sätze, aus denen verschiedentlich die Ungleichheit der Geschlechter abgeleitet werden soll, hat sich als nicht haltbar erwiesen. Heute ist in der EKD Konsens, dass Gehorsam gegenüber der Bibel nicht bedeuten kann, dass einzelne Bibelverse als "Beweissätze" isoliert werden und dabei ihr engerer und weiterer Kontext ausgeblendet wird. Vielmehr erschließt sich das Verständnis biblischer Texte erst aus dem Zusammenhang der vielfältigen biblischen Traditionen, die gerade in ihrer Verschiedenartigkeit und Zeitverflochtenheit gelesen werden müssen." (aus: Rolle der Frau in der EKD, Anhörung vor dem Gleichstellungsausschuss des Europarats "Frauen und Religion" am 10. September 2004)

In diesem Einwand wird deutlich, dass die Gegner der Frauenordination eine grundsätzlich unangemessene Art der Bibelauslegung nutzen, um ihre Argumente zu untermauern. Die Frage nach der Frauenordination ist hier nur ein Beispiel für viele andere, in denen einzelne Stellen der Bibel herangezogen werden, um eine eigene (meist konservative) Haltung zu untermauern. Der Fehler bei dieser Art der Bibelauslegung ist, dass hier die Schrift selbst als die Offenbarung Gottes herangezogen wird. Die Offenbarung Gottes aber ist nach unserem Bekenntnis Jesus Christus selbst. Die Bibel, die Schrift ist lediglich das Zeugnis dieser Offenbarung. Darum kann sie niemals Gesetz sein, sondern ist Evangelium, frohe Botschaft von den Heilstaten Gottes.

Wenn wir also die Schrift heranziehen, um zu schauen, was wir aus ihr zum Thema der Frauenordination lernen können, müssen wir die Gesamtheit der Botschaft im Blick behalten. Diese aber besagt, dass es in geistlicher Hinsicht – und nach evangelischem Verständnis! – keinen geistlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Eine wichtige Errungenschaft des Protestantismus ist die Besinnung auf das sogenannte "Priestertum aller Getauften". Das besagt, dass alle Getauften in die Nachfolge Christi berufen sind. Das Argument der Gegner der Frauenordination, das Sie anführen, es gehe in Bibelstellen wie Gal 3,28 ("Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.") um das Heil und nicht um die Aufgaben in der Gemeinde, ist aus evangelischer Sicht nicht stichhaltig. Das Heil, das uns durch Christus geschenkt ist, ruft alle Getauften in die Nachfolge, also auch in die Verkündigung.

Wie in anderen Bereichen auch (siehe zum Beispiel die Debatte um die Familie), hat die evangelische Kirche hier ihre Position geändert. Eine Frauenordination gibt es erst seit etwas über dreißig Jahren in der gesamten EKD. Da Veränderungen immer auch mit Verunsicherung einhergehen, wird von den Gegnern solcher Veränderungen der Vorwurf der Beliebigkeit erhoben, oder es wird gesagt, man würde lediglich einem Trend folgen. Diese Vorwürfe sind ebenfalls falsch, denn auch sie speisen sich aus einem unangemessenen Verständnis von Tradition und Bibel. Wir müssen nicht jede Vorschrift der Bibel bewahren, wenn sie – nach reiflicher Überlegung – der Botschaft vom Heil durch Jesus Christus nicht entspricht. Das hat nichts mit "Zeitgeist" zu tun. Das Christentum hat von Anbeginn die Botschaft, die in der Heiligen Schrift vorlag, ausgelegt und daraus wiederum eigene Positionen entwickelt. Die Bibel selbst zeugt von solchen Entwicklungen und den dazugehörigen Diskussionen. So musste Paulus sich ständig mit Menschen auseinandersetzen, die sich auf die Schrift beriefen, um Veränderungen zu wehren. Der Galaterbrief, aus dem Sie zitieren, ist hierfür ein ausgesprochen gutes Beispiel. Die Argumentation des Apostels funktioniert auf dieselbe Weise, wie ich sie hier führe: Einzelne Vorschriften aus der Schrift können nicht die Botschaft von Jesus Christus überbieten. Sich an Vorschriften zu halten, die dem Evangelium widersprechen, bedeutet, die Freiheit, die uns Christus brachte, zu verachten.

Wenn Sie also, liebe Maren, sich auf eine Diskussion mit Gegnern der Frauenordination einlassen wollen, rate ich Ihnen, dass Sie nicht nach Bibelstellen suchen, die Sie als Argumente dafür verwenden können, einmal Pfarrerin werden zu dürfen. Schauen Sie vielmehr auf das Gesamte der Botschaft. Die lautet, dass wir alle, die wir getauft sind, zur Nachfolge Christi berufen sind. Das bedeutet, dass jede und jeder Getaufte auch das Amt der Pfarrerin oder des Pfarrers anstreben kann.

In Vorfreude auf eine neue Kollegin grüße ich Sie herzlich!

Frank Muchlinsky

P.S. Wenn Sie es gern noch ausführlicher hätten, lesen Sie gern die Stellungnahme der der Kammer für Theiologie der EKD zu "Frauenordination und Bischofsamt" von 1992.

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