Wie sollen wir uns ändern?

Klaus H.

"Der Zustrom an Flüchtlingen wird vieles verändern, auch uns", sagen Sie, Herr Lilie. In welche Richtung sollen wir uns denn verändern? Sollen wir einige sehr rückwärtsgewandte Ansichten des Islam als gegeben hinnehmen oder übernehmen?

Klaus H.

Selbstverständlich verändert jede Begegnung, in der sich Menschen aufeinander einlassen. Viele Heilungsgeschichten Jesu und andere biblische Texte sagen aus, dass wir uns in der Begegnung mit vermeintlich Fremden selbst begegnen, uns selbst neu kennenlernen. Auch den Flüchlingen oder dem Islam begegne ich in Gestalt konkreter einzelner Menschen.  Ich habe z. b. bei Gesprächen mit jungen unbegleiteten Flüchtlingen sehr häufig sehr beeindruckende Menschen kennengelernt, die trotz der schrecklichen Dinge, die sie erlebt haben, dankbar und mit viel Zuversicht und Engagement Deutsch gelernt hatten und in den Schulen oder bei ihren Ausbildungen zu den Besten gehörten.

Der Islam hat sehr viele Gesichter. Ich erinnere mich sehr gerne an medizinethische Diskussionen mit sehr differenziert argumentierenden islamischen Ethikern. Die Gastfreundschaft und die Hilfsbereitschaft in vielen islamischen Ländern hat mich immer wieder berührt. Außerdem bin ich vielen sehr spirituellen Menschen begegnet. Navid Kermani hat vor wenigen Wochen eine sehr lesenswerte Rede in der Paulskirche gehalten - über welchen Islam sprechen Sie?

Ich bin sicher, dass Deutschland in einer globalisierten Welt keinen Gartenzaun um eine wie auch immer zu beschreibende Identität ziehen kann, dass Vielfalt eine Bereicherung und zugleich eine Herausforderung ist, von der dieses Land in seiner Geschichte immer wieder in besonderer Weise profitiert hat. Das Grundgesetz stellt dafür einen wunderbaren Rahmen zur Verfügung, der von allen Mitgestaltern eines zukünftigen Deutschlands ausgefüllt und gestaltet werden will. Dieser gemeinsamen  Ausgestaltung mit allen Menschen guten Willens sollten wir uns ohne  Naivität , aber auch ohne Angst stellen.Fundamentalisten jedweder Couleur wollen wir zusammen deutlich machen, dass wir dabei die Menschenrechte genauso wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht zur Debatte stellen werden. 

 

Herzliche Grüße 

Ihr Ulrich Lilie

 

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