Wer darf das Abendmahl einsetzen?

Abendmahlsfrage
Abendmahl
Getty Images/iStockphoto/Avalon_Studio

Stimmt es, dass in den evangelischen Landeskirchen das Abendmahl nur gefeiert werden darf, wenn ein ordinierter Pfarrer zugegen ist und die Einsetzungsworte spricht?

Gilt das Priestertum aller Glaubenden nicht in den evangelischen Landeskirchen?

Wie wird das in den Freikirchen gehandhabt?

Was unterscheidet einen evangelischen Pfarrer von einem "normalen" evangelischen Christen?

Das Priestertum ist doch in der evangelischen Kirche kein Sakrament wie in der katholischen.

Liebe Leser*innen im Jahre 2020,

derzeit geht das Coronavirus in unserer Welt um, und es finden in Deutschland gerade keine Gottesdienste in unseren Kirchen statt. Aus diesem Grund stellt sich auch die Frage, wie wir in diesen besonderen Zeiten mit dem Abendmahl umgehen. Ich möchte darum ausdrücklich darauf hinweisen, dass meine Antwort hier eine generelle ist. Mit anderen Worten: Ich stelle hier dar, was in der Regel gilt.

In Ausnahmezeiten, wie der gegenwärtigen Pandemie, sieht auch der christliche Glaube Ausnahmen vor. Ich empfehle, zum Thema Abendmahl die beiden Folgen "AHA" zu hören, die ich zusammen mit meinem Kollegen Claudius Grigat aufgenommen habe. Folge 1, Folge 2

Es gibt viele Varianten, wie das Abendmahl in unseren Kirchen gefeiert wird. Derzeit wird darüber nachgedacht und diskutiert, ob man es auch online einnehmen kann oder ob auch Laien (also nicht ordinierte Christ*innen) das Abendmahl einsetzen können. Ich denke, dass man das in Extremsituationen tun kann. Allerdings sollten wir, wo immer es möglich ist, lieber warten, bis wir uns wieder treffen und gemeinsam Brot und Kelch teilen können.

Frank Muchlinsky, April 2020

Liebe/r Fragesteller/in,

Ihre Frage möchte ich gern eine nach der anderen beantworten, damit es nicht unübersichtlich wird. Darum:

„Stimmt es, dass in den evangelischen Landeskirchen das Abendmahl nur gefeiert werden darf, wenn ein ordinierter Pfarrer zugegen ist und die Einsetzungsworte spricht?“

Ja, das stimmt.

„Gilt das Priestertum aller Glaubenden nicht in den evangelischen Landeskirchen?“

Doch, durchaus! Aber: Das „Priestertum aller Getauften“, wie Martin Luther es nannte, ist in Abgrenzung zum römischen Priestertum formuliert worden. Es geht darum, dass die Taufe bereits jeden Christen in den „geistlichen Stand“ versetzt. Das bedeutet, dass alle Getauften einen direkten Zugang zum göttlichen Heil haben. Es braucht dazu keine Vermittlung durch geweihte Priester. Das Priestertum aller Getauften bezieht sich also nicht auf das, was Priester dürfen, sondern auf den Zustand des Heils, in dem ein getaufter Christ ist.

„Wie wird das in den Freikirchen gehandhabt?“

Unterschiedlich. Bei den Mennoniten können Prediger oder Laien das Abendmahl einsetzen. Bei den Baptisten bereiten grundsätzlich Gemeindemitglieder das Abendmahl, bei den Methodisten steht ein Geistlicher Abendmahlsfeier vor. Diese verschiedenen Arten führen sich aber nicht zuerst auf den Gedanken des„Priestertums aller Getauften“ zurück, sondern sie machen vor allem die unterschiedlichen Vorstellungen vom Abendmahl selbst deutlich. Die Wikipedia gibt einen Überblick: (Artikel Eucharistie, ab 3.6 Abendmahl im lutherischen verständnis)

„Was unterscheidet einen evangelischen Pfarrer von einem "normalen" evangelischen Christen?“

Das Amt. Schon in der ursprünglichen Formulierung des Gedankens vom Priestertum aller Getauften schrieb Luther in seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ (WA Band 6, S. 404–469):

„… alle Christen sind wahrhaftig geistlichen Standes und ist unter ihnen kein Unterschied außer allein des Amts halber.“

Beachten Sie bitte den Zusatz: „außer allein des Amts halber“! In den evangelischen Kirchen gibt es zwar keine Priester, dennoch gibt es Ämter. Das Amt der Pfarrerin, des Pastoren ist das Predigtamt. Wer dieses Amt ausübt, soll predigen und die Sakramente verwalten. Das Predigtamt wird nicht allen Christinnen oder Christen verliehen. Das Augsburger Bekenntnis der Protestanten von 1530 schreibt dazu:

ARTIKEL 14: VOM KIRCHENREGIMENT
Vom Kirchenregiment (kirchlichen Amt) wird gelehrt, daß niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll ohne ordnungsgemäße Berufung.

Wer also predigen, taufen oder Abendmahl einsetzen will, muss vorher ausgebildet und durch die Kirche dazu berufen werden. Das ist der Unterschied zwischen Pfarrer/in und anderen Gemeindegliedern: Das Amt.

Das Priestertum ist doch in der evangelischen Kirche kein Sakrament wie in der katholischen.

Richtig. In den evangelischen Kirchen gibt es kein Sakrament der Priesterweihe. Das ist in der Tat abgeleitet aus der Vorstellung des Priestertums aller Getauften und dem Amtsverständnis.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen verständlich beantworten und grüße herzlich!

Frank Muchlinsky

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