Erziehungsunterschiede

Marlies K.

Meine Kinder verstehen sich im Großen und Ganzen gut mit meinem neuen Freund. Aber mein kleiner Sohn hat eine Eigenschaft von mir geerbt, die bringt ihn auf die Palme. Immer passieren ihm Missgeschicke, mal fällt ihm der volle Teller runter, mal die Trompete aus dem Koffer. Ich bin in diesen Momenten milde gestimmt, weil ich selber so fahrig bin. Aber mein neuer Freund fährt ihn jedes Mal an, er soll besser aufpassen. Und ich denke: Wenn er das so schlimm findet beim Kind – ok, ist ja nicht seins. Aber ich selber bin gekränkt. Ich denke, der liebt mich? Dann muss er doch damit umgehen können?

Liebe Marlies,

 

Glückwunsch zu Ihrem Langmut und Ihrem liebevollen Verständnis Ihrem Kind und sich selber gegenüber! Wenn die von Ihnen beschriebenen Situationen im Film oder im Zirkus passieren, lachen alle. Zuhause ist diese Art von Slapstick sogar kostenlos. Unser bunter Alltag besteht doch meistens aus herrlicher Un- Perfektion und solange niemand und nichts zu Schaden kommt, können solche Szenen oft sogar ein Quell der Heiterkeit sein und Ihrem Sohn trotz der kleinen Missgeschicke Selbstvertrauen schenken . Wenn - ja, wenn Liebe, Gelassenheit und ein souveräner Umgang mit menschlichen Eigenschaften bei Ihnen wohnen.

 

Was geht in Ihrem Freund vor, wenn ihn das nervt? Welche Gefühle und Erinnerungen kommen in ihm hoch? Was würde er sich statt der Ungeschicklichkeiten wirklich wünschen? Mehr Ruhe? Mehr Rücksicht? Mehr Umsicht? Mehr Aufmerksamkeit? Klären Sie mit ihm behutsam, welche Bedürfnisse Sie beide in Bezug auf Ihr gemeinsames Zusammenleben haben. Und machen Sie sich mit ihm zusammen klar, dass das größte Bedürfnis in einer Patchwork- Familie der tolerante, wertschätzende Umgang miteinander ist. Auch für Sie beide ist es die Grundlage einer entspannteren Familien- Atmosphäre. Vielleicht verabreden Sie beide ein Stichwort, das immer dann fallen kann, wenn eine kleine Erinnerung daran nötig scheint.

 

Vielleicht ist eine systemische Familienaufstellung für Ihren Freund hilfreich, damit er sich bewusst wird, was genau ihn da nervt. (Wichtigste Voraussetzung: er ist offen dafür.) Wenn Sie beide eine große Verbundenheit spüren, hat sein Groll ja vermutlich mehr mit ihm persönlich als mit Ihnen oder Ihrem Kind zu tun.

 

Für Patchwork- Familien empfehle ich gerne offene Spielerunden, in denen viel gequatscht und gelacht wird. Das stärkt das Miteinander, denn die einzelnen Mitglieder brauchen nicht nur eine Beziehung zu ihren ersten Bezugspersonen (Partner, Partnerin, Mama, Papa) sondern auch ein freundschaftliches Verhältnis zu allen anderen. Man muss sich nicht unbedingt in den Armen liegen- sollte sich allerdings  respektieren mit allen Eigenschaften und Fähigkeiten. So wird Patchwork zum Toleranztraining für alle.

 

Haben Sie weiterhin viel Freude und lachen Sie gemeinsam über die kleinen Slapstick - Einlagen aller Familien- Clowns. Wer miteinander lachen kann, schafft alles!

 

Herzliche Grüße

Ihre Heike Bauer-Banzhaf