Sehr geehrter Herr Muchlinsky
Ich habe folgende Frage, die mich sehr beschäftigt: In den 10 Geboten heißt es u.a., ich solle mir kein Bildnis von Gott machen. Im Verlauf der 10 Gebote wird das Wort "HERR" dann aber sechsmal aufgeführt, - ein Wort, das bei mir eindeutig das Bild vor Augen entstehen lässt, dass Gott ein Mann ist (bzw. eine männliche "Instanz").
Ich persönlich bekomme so schon beim Lesen der 10 Gebote ein "Bildnis" vor Augen... In weiteren Verlauf der Bibel wird Gott dann metaphorisch als König, Richter, HERR/Meister, Vater und Hirte dargestellt (zu einer Zeit, wo es in Ägypten und Israel (Atalja) schon Königinnen und in China sogar eine Kaiserin gab, also "ER" wäre nicht die erste Königin gewesen, hätte ER sich in der Bibel so offenbart). Einzige Ausnahmen bleiben die Stellen, wo ER (=männlich) bzw. dann eben recht einmalig "sie" als schwanger beschrieben wird bzw. als Amme, die ein Kind trägt bzw. das Bild eines Adlers benutzt wird. Gott schickt einen Sohn auf die Welt, der seinerseits dann 12 Apostel aussucht, auf deren Überlieferungen dann die Kirch aufbaut (Das Evangelium der Maria Magdalena wurde als häretisch abgestempelt).
Gottes Botschaft ist doch zeitlos und nicht an historische Gegebenheiten und soziologische/gesellschaftliche Strukturen gebunden. ER wusste doch von sich, wer ER war, bevor die Gesellschaft Frauen einen besseren sozialen Status einräumten, als es damals der Fall war. Warum wir das Bild von Gott dann (fast) ausschließlich männlich transportiert, obschon wir uns kein Bildnis machen dürfen? Es gäbe doch unzählige andere Bilder, mit denen Gott eben DOCH ein "Bild" von sich hätte vermitteln können, welches aber nicht den sehr starken Eindruck hinterlässt, Gott sei eine männliche Instanz - denn dieses "Bild" bekomme ich beim Lesen der Bibel unweigerlich...
Vielen herzlichen Dank für Ihre Antwort!
Liebe Schreiberin, da Pastor Muchlinsky in Urlaub ist, reagiere ich gerne auf Ihre Frage. Ein Lebensthema von mir, das Sie da ansprechen!
"Du sollst dir kein Bildnis machen" - ist eine der wichtigsten Erinnerungen, die uns die Bibel gibt. Dieser Vers ist mein Trauspruch - gerade in Ehen braucht es diese Erinnerung immer wieder, sich nicht festzuleben. Aber nicht nur. Ich glaube, wir Menschen haben die Neigung in uns zu fixieren und Bilder zu machen. Diese führen einen aber in die Enge.
Gott hat sich Mose mit seinem Namen am brennenden Dornbusch gezeigt. Sein Name auf hebräisch hat die Buchstaben יהוה (von rechts nach links gelesen) = JHWH. Dies ist eine Buchstabenfolge , die man eigentlich nicht aussprechen kann. "Jahwe" kommt dem am nächsten. Die Übersetzung dieses Namen kann sein "ich bin da" oder "ich bin, die ich bin" oder "ich bin, der ich bin." und "ich bin die/der ich sein werde" ...
Das ist der eigentliche Name Gottes: ICH BIN DA. Wann immer in der hebräischen Bibel diese vier Buchstaben stehen, wurde in der griechischen Übersetzung "Kyrios" geschrieben - und im Deutschen hat man dies in der Lutherbibel mit "HERR" wieder gegeben. In vier großen Buchstaben. Dies klingt nun für uns logischerweise sehr männlich und das Kopfkino das beginnt, lässt männliche Bilder aufsteigen.
Es gibt allerdings auch andere Bibelübersetzungen. Die "Bibel in gerechter Sprache" versucht diese männliche Fixierung aufzulösen.
Übrigens: Ein frommer Jude spricht beim Lesen das JHWH nicht als "Jahwe" aus - sondern sagt "Adonai" aus Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Gottesnamens.
Die Bibel hat auch noch weitere Bilder und Vergleiche. So gibt es den weibliche Vergleich: "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." (Jesaja 66,13)
Wie Sie schreiben, Gottes Botschaft ist zeitlos und nicht an historische Gegebenheiten und soziologische/gesellschaftliche Strukturen gebunden. Ja, genau so ist! Aber immer wieder machen sich Menschen Bilder - und da wir in patriarchalen Strukturen leben - sind die Gottesbilder oft männlich. Deshalb kommen Ihnen, liebe Schreiberin, vermutlich unweigerlich männliche Bilder in den Kopf beim Lesen der Bilder. Die Bibel an sich gibt diese Enge eigentlich nicht vor (wobei sie natürlich auch stärker männlich als weiblich geprägt ist).
Fakt ist aber:
יהוה kann nicht nur männlich übersetzt werden "ich bin, der ich bin" sondern auch "ich bin, die ich bin".
Gott sprengt die Dimension von männlich und weiblich. Das finde ich sehr faszinierend!
Auch finde ich faszinierend, dass Jesus Gott mit "Abba" anredet - in seiner Sprache ist es das, was Kinder zu ihrem Vater UND ihrer Mutter sagen. So wie bei uns Mama/Papa - aber eben ein Ausdruck für beide Elternteile.
Gottes Segen für Sie - möge Gott ihren Segen auf Sie legen, liebe Schreiberin.
Herzlich, Ihre Sabine Löw