Was wird aus meinen Kindern, wenn sie zu wenig vom Glauben wissen?

Astrid Ebi

Liebe Frau Scholl,
vor knapp zwei Jahren hatte ich ein Bekehrungserlebnis. Ich war jahrelang eine Suchende und nun, mit über 50 Jahren, habe ich Jesus gefunden, oder er mich? Als getaufte und konfirmierte Christin gehörte ich, wie wahrscheinlich viele Christen, zu den Namenschristen, die nicht wirklich wissen was Christsein bedeutet. Nach anfänglicher Freude über meine erfolgreiche Schatzsuche, stellte sich auch gleich die Traurigkeit ein. Ich lese viel, ja, täglich in der Bibel und erkenne mehr und mehr, dass es einzig und alleine um Rettung geht. Rettung aus Liebe, Rettung aus Gnade. Dass diese Rettung möglich ist, haben wir Jesus zu verdanken. Er hat alle Schuld für uns bezahlt. Wunderbar. Danke Jesus.
Aber nun zu meiner Traurigkeit. Ich habe vier Kinder zwischen 32 und 19 Jahren und natürlich sind sie sehr liebevoll und sozial aufgewachsen. Auch sind sie alle getauft und konfirmiert, nur wissen sie genauso wenig über den Inhalt und das Ziel des Glaubens wie ich es wusste. Das ist traurig und beweist, dass viele Kirchengemeinden nicht genug und zu wenig leidenschaftlich das Evangelium verkünden.
Was geschieht mit meinen Kindern? Ich liebe Jesus, aber ich liebe auch meine Kinder. Welche Mutter tut das nicht? Rettung gibt es aber nur für die Menschen, die umkehren und sich zu Jesus bekennen, Ihm vertrauen und Ihm glauben. Die Vorstellung, dass ich gerettet bin, aber meine Kinder sind es nicht, ist so schrecklich. Verzweifelt bete ich darum, eine Antwort zu bekommen. Vielleicht können Sie mir helfen? Ich bin doch gewiss nicht die einzige Mutter, die verzweifelt darüber ist. Natürlich erzähle ich voller Begeisterung viel über Jesus, aber sie wollen nicht wirklich zuhören.
Nehme ich diese Traurigkeit mit in das Reich Gottes nach meinem Tod. Wir Christen sollen uns doch freuen, aber wie soll das gehen, wenn meine Kinder sich nicht bekehren und verloren sind?
Mit Freude warte ich auf eine Antwort.
Viele herzliche Grüße,
Astrid

Liebe Astrid, 

vielen Dank für Ihre Zeilen. Wenn ich sie lese, ahne ich, wie sehr Sie das schmerzt, was sie beschreiben. Zunächst mal ist es ja etwas wunderbares, dass Sie im christlichen Glauben eine derartige Erfüllung und Orientierung für Ihr Leben gefunden haben. Was für ein Geschenk und was für ein Segen, dass Ihr Herz voll ist von dieser Leidenschaft und Gewissheit. Oft ist es ja so, dass wir uns, wenn wir von etwas sehr überzeugt sind, danach sehnen, dass die Menschen, die uns nahestehen, diese Leidenschaft auch teilen. Im Hinblick auf Ihre Kinder haben Sie offenbar den Eindruck, dass diese ihren Glauben nicht in der Weise teilen, wie Sie sich das wünschen würden. 

Sie erleben, dass Sie an Grenzen geraten bei dem Versuch, Ihren Kindern Ihren Glauben nahezubringen. Was mich dabei hellhörig gemacht hat, ist die Art und Weise, wie Sie von Ihrem eigenen "Bekehrungserlebnis" sprechen. In Ihrer Schilderung werfen Sie die Frage auf, ob vielleicht nicht Sie Jesus gefunden haben, sondern umgekehrt, ob er sie gefunden hat. Aufgrunddessen, wie sie das beschreiben, stelle ich mir vor, dass es sich um ein Erlebnis handelt, dass auf eine gewisse Weise auch unerwartet kam, wie ein Geschenk, das vom Himmel gefallen ist. Die erste Frage scheint mir also zu sein, ob es bei Ihnen zu dem geführt hätte, wie sie aktuell Ihren Glauben leben, wenn jemand immer wieder von seinen Erfahrungen erzählt hätte und Ihnen nahegelegt hätte, auch so zu glauben. Was Sie erlebt haben, hat doch eher etwas von einem tiefen Berührtsein, als von einer Überzeugungsarbeit, die jemand anderes geleistet hätte. Insofern erscheint es mir fraglich, ob der Glaube ihrer Kinder ein Ergebnis von Überzeugungsarbeit sein kann. 

Sie haben, wie Sie schreiben, viel getan, um Ihren Kindern den christlichen Glauben nahezubringen. Sie haben Sie taufen lassen, sie christlich erzogen, sie wurden konfirmiert. Es bleibt aber eben dabei, dass der Glaube immer auch eine freie Entscheidung bleibt. Ich frage mich, was Sie so sicher sein lässt, das Glaubensleben ihrer Kinder so gut zu kennen. Ich glaube ja, dass es viele Geheimnisse gibt, auch bei den Menschen, die uns sehr nahestehen und der Glaube ist eben etwas sehr individuelles. Wir können miteinander darüber ins Gespräch kommen. Aber von außen zu beurteilen, wie stark der Glaube des anderen ist, scheint mir nicht möglich zu sein. Vielleicht ist ja die religiöse Grundhaltung ihrer Kinder auch intensiver als Sie vermuten. 

Im Hinblick auf eine ganz griundlegende Haltung, die sich in Ihrer Frage artikuliert, ist meine Wahrnehmung der Dinge sehr anders als Ihre. Sie schreiben von "Namenschristen", die noch nicht die wahre Erkenntnis des christlichen Glaubens erreicht haben. Für mein Empfinden legt das nahe, dass Sie davon ausgehen, dass es unterschiedliche Grade des Christseins gäbe und dass der Glaube erst einen bestimmten Grad der Intensität erreicht haben muss, damit man wirklich christlich ist. Ich glaube das nicht. Ich denke, dass der Glaube ganz unterschiedliche Intensitäten haben kann und dass er sich auch im Laufe eines Lebens verändert. Der Glaube ist kein Wettlauf, bei dem es darum geht, wer der oder die Beste ist, sondern es ist ein Suchen und Fragen und Erleben und hadern...  Der Glaube von Jemandem, der einmal im Jahr zu Weihnachten in die Kirche geht und sich dort berühren lässt, kann genauso wahrhaftig sein wie der von jemandem, der jeden Sonntag den Gottesdienst besucht. 

Vielleicht gelingt es Ihnen ja, eine Neugier zu entwickeln darauf, woran ihre Kinder glauben, was sie bewegt, woran sie zweifeln... und beim Hören das erntszunehemn als ihren Weg mit dem christlichen Glauben. Es könnte sein, dass Sie dabei Spannendes und Ungeahntes entdecken. Das Loslassen ist ja im Hinblick auf die eigenen Kinder garnicht so leicht, egal wie alt sie schon sind. Die Geschichte vom 12-järhigen Jesus im Tempel (Lk 2,41ff) ist ja so eine Geschichte von dem eigenen Kopf, den Kinder haben. Jesus pilgert mit seinen Eltern zum Passafest nach Jerusalem und plötzlich ist er verschwunden. Seine Eltern suchen ihn verzweifelt und finden ihn nach drei Tagen im Tempel, wo er mit den Schriftgelehrten sitzt, Fragen stellt und alle mit seiner Klugheit beeindruckt. Für mich ist diese Geschichte eine, die zeigt, wie wichtig es ist, das Kinder eigene Wege gehen und dass auch das, was Eltern nicht verstehen, manchmal der richtige Weg für ein Kind sein kann. 

Ob Sie Ihre Traurigkeit mit ins Reich Gottes nehmen, fragen Sie schließlich. Ich glaube, dass im Reich Gottes alle Tränen getrocknet sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Reich Gottes so beschaffen ist, dass eines oder mehrere ihrer Kinder nicht Teil davon sind. Denn dann wäre es ja für Sie nicht Gottes Reich, wenn sie darin auf ewig auf eines Ihrer Kinder verzichten müssten. 

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles erdenklich Gute und hoffe, meine Gedanken könnten Ihnen den ein oder anderen Impuls liefern im Hinblick auf Ihre Frage. 

Herzlich

Katharina Scholl

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