Gott als Projektion

Thomas Hoenig

Ist Gott eine Projektion? Was hätte das für Auswirkungen auf unseren Glauben?

Lieber Thomas,

zwei spannende Fragen, die Sie hier stellen. Ich könnte Ihnen knapp antworten: Gott ist keine Projektion. Denn: Viele Aussagen der Bibel und Erfahrungen des christlichen Glaubens übersteigen die Vorstellungen, die Menschen sich von Gott machen können, manches im Glauben steht jeder Projektion entgegen. 

Der Name Ludwig Feuerbachs wird in diesem Zusammenhang immer wieder genannt. Feuerbach gilt als der Begründer der Religionskritik. 

Projektion geht davon aus, dass Menschen  ihre Wünsche bewusst und unbewusst auf Gott projizieren und dann diesen - selbst gemachten - Projektionen wiederum ihren Glauben schenken. Gott entsteht also aus den erfüllten und unerfüllten menschlichen Wünschen und Vorstellungen. Jedoch verweigert sich schon die Bibel dieser Theorie. In aller Härte widersteht z.B. das Buch Hiob einer Projektionstheorie. In diesem biblischen Buch widerspricht Gottes Handeln allen Vorstellungen, die Menschen eigenständig über Gott entwickeln können. 

Christlicher Glaube rechnet immer auch mit zunächst befremdlichen, umstürzenden und neuen Erkenntnissen, die im menschlichen Erfahrungsschatz bisher nicht angelegt sind. Kreuz, Leid und die Auferstehung Jesu passen nicht in den Horizont einer Projektion. Kurz: Die Bibel und der Glaube entziehen der Projektionstheorie die Grundlage. 

Ihre zweite Frage macht die Antwort etwas komplexer: Wenn Gott eine Projektion wäre, dann hätte das natürlich Auswirkungen auf den Glauben. Denn dann würden Menschen nur an das glauben, was sie sowieso schon hoffen, schon lange wissen und an das, was sie wie eine uralte Ahnung seit Generationen begleitet. Jede Hoffnung würde sich nur auf Bekanntes beziehen. Auch das Reich Gottes, das Jesus predigt, wäre in der Vorstellung der Menschen schon lange und vollkommen angebrochen. Selbst der "neue Himmel und die neue Erde" (Off 21,1), die der christliche Glaube erwartet, wären uns bereits bekannt.

Doch genau das widerspricht dem Glauben. Denn christlicher Glaube lebt gerade von den überraschenden Erfahrungen mit Gott, dem "neuen Himmel und der neuen Erde" und einem großen Potential an Überwindung der sichtbaren Welt. Ich neige dazu, mit schöpferischen Sprüngen zu rechnen, die ungewohnte Perspektiven eröffnen. Christlicher Glaube mag auch Projektion enthalten. aber er lässt sich nicht mit dem Begriff Projektion erfassen. 

Gerade in der Gegenwart mit all der Krisenstimmung ist es mir persönlich wichtig, dass der Glaube davon ausgeht, dass sich Gottes Friede noch einmal neu, von einer überraschenden, unbekannten Seite für uns und in unserer Zeit manifestiert. 

Ich danke Ihnen für Ihre Fragen, Ihr Henning Kiene  

 

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