Als Christin nach jüdischen Regeln leben?

Luise
Jüdisches Mahl mit Kerzenleuchter
© cottonbro Studio/Pexels

Hallo!
Ich bin 13 und habe eine Frage.

Also ich habe einen jüdischen Nachnamen. Dann waren doch meine Vorfahren jüdisch, oder? Aber meine Großeltern usw. sind evangelisch. Ich eigentlich auch. Aber ich finde die Regelungen halt zu leicht und allgemein alles zu locker, weil mir Religion halt wichtiger ist... Also befolge ich die Regelungen der Juden und auch die Feste. Und was bin ich jetzt für eine Religion und wie finden die beiden Religionen das? Und kann ich als eigentliche Christin messianische Jüdin sein? Nein, oder? Oder gibt es messianische Christen?
Danke schon mal!

Liebe Luise,

es ist durchaus vorstellbar, dass du unter deinen Vorfahren Jüdinnen und Juden hast. Es kam im Laufe der Geschichte immer wieder vor, dass sich Jüdinnen und Juden haben taufen lassen – sei es aus Überzeugung oder auch weil sie Angst vor Verfolgung und Unterdrückung hatten. So könnte dein Zweig der Familie christlich geworden sein.

Du selbst bist auf jeden Fall keine Jüdin, weil deine Mutter keine Jüdin ist. Eure Familie ist seit Generationen christlich. Du bist getauft, das macht dich ebenfalls zu einer Christin. Wie Du bereits herausgefunden hast, gelten die 613 Mizwot (also Gebote und Verbote der Tora) nicht alle für Christenmenschen. Du empfindest das als "zu locker" für dich, weil du deinen Glauben sehr ernst nimmst. 

Nun könntest Du, wenn es dir ernst damit ist, zum Judentum übertreten. Da ist durchaus möglich. Es ist ein langwieriger Prozess, aber er ist möglich. Der Zentralrat der Juden in Deutschland empfiehlt Menschen, die konvertieren (übertreten) möchten, dieses Buch: 'Dein Gott ist mein Gott.' Wege zum Judentum und zur jüdischen Gemeinschaft" von Rabbiner Leo Trepp und Gunda Wöbken-Ekert.

Wenn Du allerdings an deinem Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Messias und Sohn Gottes festhalten möchtest, dürfte der Übertritt schwierig sein. Es gibt durchaus messianische Jüdinnen und Juden, aber die waren eben in erster Hinsicht jüdisch und wollten sich dann zu Jesus als Messias bekennen. 

Als evangelischer Pastor würde ich dir sagen: Schön, dass du deinen Glauben so ernst nimmst. Du beweist deinen Ernst aber nicht dadurch, dass Du möglichst viele oder gar alle Gebote hältst, sondern dass Du in deinem Alltag, in jeder Stunde deines Lebens deutlich machst, dass Du die Botschaft von Jesus Christus ernst nimmst. Die lautet: Gott hat uns so sehr geliebt, dass er uns in Jesus Christus begegnete – von Angesicht zu Angesicht. Darum dürfen, darum sollen wir auch extrem dankbar sein und uns an diese unendliche Liebe zum Vorbild nehmen. 

Ob jüdisch oder christlich: Wer es ernst meint mit dem eigenen Glauben, wird sagen: Das höchste Gebot ist es Gott zu lieben. Und ebenso wichtig ist es, seine Nächsten zu lieben. Das ist keine Erfindung von Jesus. Er zitiert das zum Beispiel im Markusevangelium (Markus 12,28-34) aus der Tora (5. Mose 6,4-5 und 3. Mose 19,18). Stell dir mal vor, wie dein Leben aussehen würde, wenn Du dieses Doppelgebot der Liebe über alle anderen Gebote stellen würdest und immer danach leben würdest! Das wäre alles andere als "locker". Im Gegenteil, es wäre kaum zu schaffen. Du würdest daran zwangsläufig irgendwann scheitern. Aber das ist eben das andere Wundervolle an unserem Glauben: Du darfst an dieser Riesenaufgabe auch scheitern. Das ändert nichts daran, dass Gott dich in die Arme nimmt. 

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig beim Denken helfen.

Herzliche Grüße!

Frank Muchlinsky 

Fragen zum Thema

Liebe Susanne,  Sie stellen eine interessante Frage: Vor wem ich mich fürchte, vor…
Liebe Mona,  ich erinnere mich noch gut an meine eigene Geschichte mit dem…
Liebe/r „Gast“, Sie stellen eine Reihe wichtiger und bedenkenswerter Fragen. Das Thema…