Wann steht man im Gottesdienst?

Volker
Gläubige stehen beim Gottesdienst
© epd-bild/Tim Wegner

Ich bin durch unterschiedlichen Landeskirchen sowie häufige Umzüge an verschiedene Liturgieformen gewöhnt. Was mich allerdings immer wieder überrascht: Wann erhebt sich die Gemeinde, wann bleibt sie sitzen? Ich spüre da häufig große Unsicherheit, manche warten auf ein „Hinweis“ der Pfarrerin/Pfarrer, manche orientieren sich an anderen Gottesdienstbesuchern. Aber was steckt genau dahinter? Ist das Aufstehen größerer Lobpreis, das Sitzenbleiben weniger? Sollte ich es so halten, wie es mir gerade gefällt, auch wenn andere sich erheben? Hat ein Kirchenvorstand aus Tradition unterschiedliche Formen festgelegt?

Lieber Fragensteller,

die Liturgie ist innerhalb der evangelischen Kirchen vielfältig. Ich finde, dass ist ein großer Schatz. Auch wenn es eine gemeinsame Grundlage gibt, so haben wir als Christ:innen die Möglichkeit aus einer Fülle an Varianten zu wählen.

Hierzu gehört auch die Frage, wann im wir im Gottesdienst aufstehen oder sitzen. Evangelische Kirchengemeinden handhaben dies unterschiedlich.

Es gibt Gemeinden, die beim Singen, sprechen des Psalms und Hören der Predigt sitzen, beim Verlesen des Evangeliums, Sprechen des Glaubensbekenntnisses, zum Fürbittegebet, Vaterunser und Segen aufstehen.

Ebenso gibt es auch Kirchengemeinden, die beim Singen aufstehen und beim Gebet und dem Verlesen des Evangeliums sitzen bleiben.

Hintergrund dieser Entscheidung ist oft die Tradition und ein unterschiedliches Verständnis der einzelnen liturgischen Teile. Die Entscheidung triff in der Evangelischen Kirche der Kirchenvorstand gemeinsam mit der Pfarrperson. Es gibt das Verständnis, dass Singen ein Gotteslob ist und Stehen dazu die angemessenere Form ist. Andere vertreten die Meinung, dass es zum Singen die Sammlung und damit das Sitzen braucht. Besonders der Anglikanischen Kirche stehen die Menschen zum Singen auf und in manchen Gemeinden hat sich diese Form etabliert.

Beim Gebet ist es ähnlich. In einigen Gemeinden besteht das Verständnis, dass Gebet eine Bitte/ein Dank ist. Da wir Gott um etwas bitten, stehen wir aus Respekt auf. In anderen Gemeinden wird die Meinung vertreten, dass es zum Gebet, dem Gespräch mit Gott, Ruhe und Sammlung braucht. Deshalb bleiben sie sitzen.

Zum Glaubensbekenntnis und Segen wird ebenfalls aus dem Verständnis heraus aufgestanden, dass ich als Mensch etwas aufrecht vor Gott und den Menschen bekenne bzw. beim Segen etwas unverdient bekomme.

Wann aufgestanden wird, hat theologisch und traditionelle Gründe. Es geht um Lobpreis, zur Ruhe kommen, Hören können und Bekennen. Manchmal liegt es aber auch an der Situation selbst. Menschen, die nicht aufstehen können und Probleme damit haben, sollen sich nicht unter Druck gesetzt fühlen. Deshalb wird manchmal auf den Wechsel von Aufstehen und Sitzen verzichtet.

Viele Pfarrer:innen geben mit ihren Händen ein Zeichen um den Menschen zu zeigen, wann sie aufstehen oder sich setzen sollen. Manchmal ist Aufstehen und Sitzen in einer Gemeinde bereits so etabliert, dass die Pfarrer:innen diese Zeichen nicht mehr geben.

Es kann also als Hinzukommende:r durchaus verwirrend sein, wann die Menschen im Gottesdienst stehen oder sitzen. Viel wichtiger als die korrekte Einhaltung dieser Sache ist die Beziehung zu Gott. Niemand wird in einem Gottesdienst dazu gezwungen aufzustehen oder sich zu setzen. In einem Gottesdienst geht es darum, Menschen und Gott zu begegnen, Gemeinschaft zu haben, zu danken, klagen und sich zu freuen.

Ich selbst gebe zwar das Zeichen zum Aufstehen oder Setzen, akzeptiere aber auch, wenn Menschen das nicht machen. Gott schaut nicht danach, ob wir stehen oder sitzen, sondern auf unsere Beziehung zu ihm. Die Liturgie ist für den Menschen da und nicht der Mensch für die Liturgie. Sie dürfen also gerne auch selbst entscheiden, ob Sie stehen oder sitzen. Die andere Seite ist, dass es Gemeinden gibt, in denen das manchmal zu Unmut führt.

Es bleibt also Ihre Entscheidung. Und manchmal ist es eben gut mitzumachen und manchmal auch eine eigene Entscheidung zu treffen.

Bleiben Sie behütet.

Michaela Jecht

 

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