Werter Herr Pfarrer Muchlinsky, vielleicht können Sie mir bei einer Frage weiterhelfen die mich seit einiger Zeit beschäftigt. Meine beiden erwachsenen Nichten (22 und 26 Jahre) haben sich entschieden, sich taufen zu lassen. Leider weiß ich aus deren eigener Aussage das sie dies nicht tun wollen weil sie zum Glauben gefunden haben sondern weil der Sohn meiner älteren Nichte getauft werden soll. Der Vater des Kindes ist aus diesem Grund wieder in die Kirche eingetreten. Weil es einfacher ist will meine "Große" sich eben auch taufen lassen. Und die "Kleine" findet es chic. Sie will ja dann auch Patin bei dem Kleinen werden. Einhellig ist man der Meinung das man nach der Taufe des Kindes wieder aus der Kirche austreten wird. Obwohl ich keiner Glaubensgemeinschaft angehöre ärgert mich dieser Umgang mit der Religion, nein ich empfinde es als respektlos gegenüber einer Religion und ihren Mitgliedern. Nun bittet meine große Nichte ausgerechnet auf facebook um Vorschläge für einen Taufspruch. Gibt es einen Spruch der die Ernsthaftigkeit der Taufe und das Bekenntnis zu Gott beinhaltet? Über eine Antwort Ihrerseits würde ich mich sehr freuen und verbleibe mit freundlichen Grüßen Carmen Pöschl
Liebe Frau Pöschl,
Ihre Frage berührt ein wichtiges Thema, nämlich den (mangelnden) Respekt vor religiösen Ritualen, selbst wenn man ihnen selbst keine Plausibilität beimisst. Daher rührt Ihre Verärgerung. Verstärkt wird dies noch dadurch, dass Ihre Nichten dieses Ritual selbst für sich in Anspruch nehmen möchten und für eigene Zwecke nutzen, ich möchte fast sagen: missbrauchen wollen. Und da viele Menschen ein sensibles Sensorium dafür besitzen, wenn identitätsstiftende Werte Anderer verletzt werden, reagieren Sie auch, obwohl Sie selbst keiner Kirche angehören.
Wer den Gehalt der christlichen Taufe auf "chic" verengt, hat etwas Grundlegendes daran missverstanden, nämlich dass es sich um die Inszenierung eines wesentlichen Herrschaftswechsels handelt. Wenn Ihre Nichten so offen kommunizieren, dass sie die Taufe für ihre Zwecke instrumentalisieren, wird gewiss auch der Pfarrer oder die Pfarrerin, der/ die mit den beiden das Taufgespräch führt, darauf zu sprechen kommen. Denn immerhin setzt die Erwachsenentaufe eine bewusste Entscheidung voraus, als Christin leben zu wollen.
Was ich allerdings bezweifele, ist, dass sich Ihre Nichten durch einen besonders "ernsthaften" Taufspruch dazu bewegen lassen, sich nach der Taufe als Christenmenschen zu verstehen. Viel eher kann ich mir vorstellen, dass den beiden Ihre eigene Reaktion und Befindlichkeit zu diesem Thema zu denken gibt. Denn von Ihrer Beziehung miteinander als Tante und Nichten können sie sich ja vermutlich weniger distanzieren als von einer missbräuchlich verstandenen Taufe.
Und schließlich: Letztlich werden Sie die Taufen nicht "verhindern" können. So wie die beiden Frauen die Entscheidung getroffen haben, sich vor Gott und einer versammelten Gemeinde aus freien Stücken zum christlichen Glauben zu bekennen, so werden sie auch selbst verantworten müssen, wie sie's damit meinen.
Ich rate Ihnen zu einem Gespräch über das grundsätzliche Thema und werde deshalb den vermutlich schon reichlich eingegangenen Taufspruch-Vorschlägen keinen weiteren hinzufügen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Friederike Erichsen-Wendt, Pfrin.