Die Sünde wider den Heiligen Geist

Susanne

Es handelt sich um folgende Bibelstelle, die ich nicht verstehe.

Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den heiligen Geist, dem wird's nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt. Matthäus 12,31-32.

Zunächst meine Gedanken, die ich mir gemacht habe:

Gott kommt in Jesus als Mensch zu uns auf die Erde. Somit sind Gott und Jesus Eins. Das Wirken Jesu auf der Erde endet mit seinem Tod am Kreuz. Aber mit dem Tod Jesu ist nicht alles zu Ende. Gott weckt Jesus von den Toten auf.

Jesus geht zurück zu Gott, seinem Vater. Wie Jesus es seinen Jüngern gesagt hat, schickt Gott nun den Heiligen Geist, seinen Geist, zu uns auf die Erde.

Von nun an ist Gott im Heiligen Geist bei uns. Drei unterschiedliche "Wesen" und doch Eins.

In diesem Zusammenhang werde ich den Begriff "Trinität" nicht wieder los. In meinem Lexikon steht unter dem Begriff "Trinität" folgendes: (lat. trinitas

"Dreiheit") Dreieinigkeit, Dreifaltigkeit, christl. Glaubenslehre: die Dreiheit der göttl. Personen (Vater, Sohn,  Heiliger Geist) in der Einheit des göttl. Wesens u.s.w.

Demnach sind Vater, Sohn und Heiliger Geist Eins, nämlich Gott, oder?

In dem oben zitierten Bibeltext sagt Jesus, dass den Menschen alle Sünde und Lästerung vergeben wird, aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. Wenn aber Vater, Sohn und Heiliger Geist Eins sind, nämlich Gott, dann müsste doch jegliche Gotteslästerung von der Sündenvergebung ausgeschlossen sein.

Verstehe ich hier irgendetwas nicht so ganz? Warum wird nur die Sünde gegen den Heiligen Geist von der Vergebung ausgeschlossen?

Immer mal wieder "stolpere" ich bei meinen "Bibelexkursionen" über diese Bibelstelle (Matthäus 12,31-32) und stelle mir dieselbe Frage, ohne eine Antwort zu finden. Darum bin ich nun gespannt auf eine Antwort von Ihrer Seite aus.

Viele Grüße

Susanne

Vorher: Einiges zur Trinität

Liebe Susanne,

um Ihre Frage zu beantworten, müssen wir noch ein wenig genauer hinschauen, was die Trinität bedeutet. Formulierungen von Vater, Sohn und Heiligem Geist (sogenannte „trinitarische Formeln“) begegnen uns schon in der Bibel. Zum Beispiel (recht bekannt) der Taufbefehl in Mt 28,19-20: Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Aber: Eine trinitarische Lehre (wie Sie sie in Ihrem Lexikon gefunden haben), die genau bestimmt, wie sich die drei „Personen“ zu einander verhalten, kennt die Bibel noch nicht. Diese Lehre entstand erst in den ersten fünf Jahrhunderten nach Christi Geburt.

Es lohnt sich, einmal kurz nachzuvollziehen, wie sich diese Lehre entwickelt hat. Im vierten jahrhundert stand zunächst die Frage im Mittelpunkt, in wieweit die Göttlichkeit Jesu Christi mit der Göttlichkeit des Gottes gleichrangig sei. Auf dem Konzil von (Nicäa-) Konstantinopel im Jahr 381 wurde die Stellung des Heiligen Geistes diskutieret und mit so formuliert:

Quote: Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten, (Hier das Glaubensbekenntnis im Ganzen)

Damit war der Streit um die Drei Personen aber immer noch nicht beigelegt. Auf dem Konzil von Chalcedon (451) ging es noch einmal um die göttliche und die menschliche Natur Christi. Man kam zu einer Formulierung, die so umständlich ist, dass wir bis heute immer wieder nach verständlicheren Wegen suchen, die Trinität zu beschreiben. Zur Veranschaulichung hier einmal die Formulierung des Bekenntnisses von Chalcedon:

Quote: „Wir folgen also den heiligen Vätern und lehren alle übereinstimmend: Unser Herr Jesus Christus ist als ein und derselbe Sohn zu bekennen, vollkommen derselbe in der Gottheit vollkommen derselbe in der Menschheit, wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch derselbe, aus Vernunftseele und Leib, wesensgleich dem Vater der Gottheit nach, wesensgleich uns derselbe der Menschheit nach, in allem uns gleich außer der Sünde, vor Weltzeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, in den letzten Tagen derselbe für uns und um unseres Heiles willen [geboren] aus Maria, der jungfräulichen Gottesgebärerin, der Menschheit nach, ein und derselbe Christus, Sohn, Herr, Einziggeborener in zwei Naturen unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt zu erkennen, in keiner Weise unter Aufhebung des Unterschieds der Naturen aufgrund der Einigung, sondern vielmehr unter Wahrung der Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen und im Zusammenkommen zu einer Person und einer Hypostase, nicht durch Teilung oder Trennung in zwei Personen, sondern ein und derselbe einziggeborene Sohn, Gott, Logos, Herr, Jesus Christus, wie die Propheten von Anfang an lehrten und er selbst, Jesus Christus, uns gelehrt hat, und wie es uns im Symbol der Väter überliefert ist.“ Aus: Wikipedia, Art. Konzil von Chalcedon. Dort zitiert nach Josef Wohlmuth (Hrsg.): Concilium oecumenicorum decreta. Band 1. 3. Aufl. Ferdinand Schöningh, Paderborn 1998, S. 86

Was ich mit dieser langen Vorrede deutlich machen will, ist: Die Lehre von der Dreifaltigkeit hat immer wieder zu großen Streitigkeiten geführt, weil sie eben so schwer zu denken – und vielleicht noch schwerer zu formulieren – ist. In unserem "Glauben"-Bereich bei evangelisch.de habe ich einen schönen Beitrag von Eduard Kopp zur Trinität gefunden (aus der Reihe Religion für Einsteiger). Darin schreibt er:

Quote: Die Rede von den drei Personen, wie sie in mehreren Konzilien der ersten Jahrhunderte diskutiert wurden, verschleiert diesen Sachverhalt eher, als dass sie ihn verdeutlicht.

Karl Barth, der große Schweizer evangelische Theologe des 20. Jahrhunderts, erklärte Vater, Sohn und Heiligen Geist als drei Dimensionen einer einzigen Offenbarung. Im Bild gesprochen: Von Gott geht die Liebe aus, Gottes Sohn gibt dieser Liebe Gestalt und im Heiligen Geist wirkt sich diese Liebe in Mensch und Schöpfung aus.

Nun aber: Zu Ihrer Frage:

Ich hoffe, es wurde deutlich, dass die Bibel Trinität nicht so denkt, wie wir es heute – nach jahrhunderten theologischer Überlegungen tun. Jesus selbst mag Gott als Vater bezeichnet haben, oder sich selbst als den Menschensohn. Petrus sagt zu ihm, er sei der Sohn Gottes und so weiter und so fort. Dennoch unterscheidet Jesus selbst zwischen sich und dem Vater genauso wie zwischen sich und dem Heiligen Geist. Die beiden treten in den Evangelien sozusagen nebeneinander auf. Zum Beispiel bei der Taufe Jesu (Mt 3,16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen.). Jesus ist im Matthäusevangelium weniger „eins mit dem Heiligen Geist“, als vielmehr „Träger des Heiligen Geistes“.

Darum kann Jesus auch zwischen sich und dem Heiligen Geist unterscheiden, wenn er sagt: (Mt 12,32) „wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird's nicht vergeben.“ Mit anderen Worten: „Gegen mich könnt ihr lästern, nicht aber gegen den Geist, durch den ich böse Geister austreibe.“

Denn das ist ja der Zusammenhang dieses Wortes: Dass die Pharisäer behaupten, der Geist,, durch den Jesus böse Geister austreibt, sei der “Beelzebul“, der oberste der bösen Geister. Das ist der Grund, warum Jesus so wütend reagiert: Weil seine Gegner den Geist Gottes, der durch ihn wirkt, und mit dem das Reich Gottes in die Welt kommt, lästern, ihn verunglimpfen. Das ist für Jesus unverzeihlich. Insofern kann man sagen: Nur wer das Heilshandeln Gottes in der Welt dem Teufel zuschreibt, der begeht die „Sünde wider den Heiligen Geist“.

Sehr herzlichen Gruß

Frank Muchlinsky