Kruzifix ohne Kreuz

Gast

Bei einem Ausflug mit der Kirchengemeinde, haben wir unter anderem eine Pfarrkirche besucht. Dort habe ich den Gekreuzigten Jesus Christus ohne Kreuz vorgefunden.

Meine Frage: Kann beim Kruzifix auf das Folterinstrument verzichtet werden?

 

 

Lieber Gast,

was die Darstellung des Gekreuzigten angeht, gibt es weder Gesetze noch Richtlinien oder Verordnungen. Insofern ist es durchaus möglich, dass ein Künstler oder eine Künstlerin auf die Idee kommt, ein Kruzifix ohne Kreuz zu entwerfen.

Als Betrachter eines solchen „Kreuzes ohne Kreuz“ werde ich zunächst einmal aufmerksam – so wie es Ihnen anscheinend auch gegangen ist. Allein das ist ja schon eine gute Sache. Wie häufig geht man an Kreuzen oder Kruzifixen vorbei und nimmt sie kaum noch wahr! Hier wird Aufmerksamkeit durch Weglassen erzeugt. Außerdem können sich alle, die den Gekreuzigten so sehen, das „Folterinstrument“, wie Sie sagen, selbst vorstellen, bzw. sich ihre ganz eigenen Gedanken zum Kreuz machen. Die Teilnehmerin eines Jugendfestes beschreibt ihre Gedanken beim Anblick eines solchen Korpus ohne Kreuz:

In Dir Grenzenlos wrote: Ein Jesus der ganz besonderen ART: aus Metallresten hat ein vietnamesischer Künstler die Umrisse des Korpus Jesu Christi geformt und gelötet. Im Freiburger Stift hängt dieser Jesus - ganz ohne Kreuz - an der weißen Wand. Fordert förmlich auf, näher zu treten ... Faszination. In Ihm - sehr viel Freiraum... Die Konturen - so gut wie keine Grenzen ... Eindeutig: hier und jetzt begegnet mir ein "In Dir - grenzenlos" von Ihm an mich ganz persönlich. (Hier der gesamte Eintrag des Blogs)

Eine andere Möglichkeit, wie es zu solchen Darstellungen kommt, ist, dass das zum Korpus gehörende Kreuz im Laufe der Zeit abhanden gekommen ist und man den Korpus nicht an ein anderes Kreuz hängen wollte. So etwas scheint in der Abteikirche Mozac geschehen zu sein, über die ich bei meiner Recherche stolperte.

Wie gesagt: Es gibt keine einzuhaltenden Regeln, wenn auch Traditionen, wie der Gekreuzigte dargestellt wird. Alle Darstellungen, die von der Tradition abweichen, laden zum genaueren Hinsehen ein und – natürlich auch sehr oft – zum Widerspruch.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Muchlinsky

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