Lieber Herr Muchlinsky,
wo war Gott in Newtown, der Stadt in den USA, in der dieser schreckliche Amoklauf passierte? Genau das schoss mir durch den Kopf, als ich die Nachrichten hierzu sah. 20 kleine Kinder wurden erschossen und 7 Erwachsene. Und immer wieder die gleiche Frage: Warum lässt Gott das zu? Es wäre doch ein leichtes für ihn gewesen den Attentäter zu stoppen. Aber er griff nicht ein. Die ewige Theodizee-Frage.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass wir als Menschen nicht in der Lage sind Gottes Handeln auch nur annähernd zu verstehen, doch stärken solche Taten immer wieder die Zweifel (zumindest bei mir). Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich immer wieder über diese Zweifel hinweg zu Gott zurückkehre. Vielleicht können Sie mir helfen zu verstehen, wie Sie mit solchen schrecklichen Ereignissen im Zusammenhang mit Ihrem Glauben umgehen.
Herzliche Grüße
Ralf Gehring
Lieber Herr Gehring,
danke für Ihre Frage! Ich will Ihnen gern antworten und sagen, wo „mein“ Gott bei den Morden von Newtown war, denn auf Ihre Frage gibt es nicht die eine Antwort, sondern jede Antwort auf diese Frage ist eine Aussage zum eigenen Gottesbild. Also ist meine Antwort ein Bekenntnis.
Gott war – nach meinem Verständnis, meinem Glauben, meiner Überzeugung in Newtown zugegen. Ich glaube fest, dass er in jedem Opfer war, das dort erschossen wurde, in jedem einzelnen Kind, jedem Erwachsenen, der ermordet wurde. Seit Gott auf die Welt gekommen ist, hat er sich töten lassen von den Menschen, um ganz in denen zu sein, die zum Opfer gemacht werden. Darum ist Gott in Newtown 27fach erschossen worden.
So verstehe ich die Zusage Jesu „Ich bin bei euch, alle Tage bis an das Ende der Welt.“ (Mt 28,20) Uns ist nicht versprochen, dass uns kein Leid widerfährt, dass wir nicht zum Opfer von Gewalt werden oder immer gesund bleiben, sondern, dass wir in all dem Leid nicht allein sind, weil Gott da ist. „Mein“ Gott sitzt nicht im Himmel, schaut auf die Erde und überlegt sich, welche Kugel er aufhält und welche nicht. Er hat sich verwundbar gemacht und uns die Verantwortung in dieser Welt übertragen.
Ich glaube außerdem, dass wir uns am Ende dieser Welt von Gott danach richten lassen müssen, in wieweit wir unserer Verantwortung gerecht wurden. Und ich glaube, dass Gott uns, weil er Mensch geworden ist, letztendlich gnädig sein wird für das, was wir versäumt oder verbrochen haben, denn er kennt uns in unnachahmlicher Weise.
Ist das eine Antwort, mit der Sie etwas anfangen können? Es würde mich freuen.
Ihr Frank Muchlinsky