Hallo Frau Löw, Hallo Herr Muchlinsky,
Ich weiß nicht, wer von Ihnen meine Frage beantworten wird, darum spreche ich Sie Beide an.
Ich mache mir schon länger Gedanken zu folgendem Biebeltext:
Da stritten die Juden untereinander und sagten: Wie kann der uns sein Fleisch zu essen geben? Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohns esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken. Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich isst, leben um meinetwillen. Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Das sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte. (Johannes 6,52-59)
Beim Lesen dieser Verse denke ich an die Eucharistie in der Katholischen Kirche; an die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu. Diese Wandlung von Brot und Wein gibt es in der Evangelischen Kirche nicht.
Nun zu meiner Frage: Stellt dieser Text (Johannes 6,52-59) eine Grundlage für das Eucharistie Verständnis der Katholischen Kirche dar?
Dank der Möglichkeit hier seine Fragen beantwortet zu bekommen und durch wiederholtes anhören des "AHA - So interpretiert man die Bibel" weiß ich, dass die Bibel nicht das wörtliche Wort Gottes ist, und dass es bei der Auslegung eines Bibeltextes nicht die EINE richtige Auslegung gibt. Trotzdem habe ich beim Versuch, Bibelstellen auszulegen so meine Probleme. Beim Nachdenken über eine Auslegung des Textes zu Johannes 6,52-59 tue ich mich besonders schwer.
Darum meine Frage: Wie könnte eine mögliche Auslegung zu Johannes 6,52-59 aussehen?
Über eine Antwort auf meine Fragen würde ich mich sehr freuen und bedanke mich schon heute für Ihre Mühe.
Susanne
Liebe Susanne,
Vielen Dank für ihre interessante Frage! Heute sollen Sie endlich eine Antwort bekommen.
Sie haben natürlich Recht, dass der Text in Joh 6 auf das Abendmahl anspielt. Das Teilen von Brot und Wein im Gedächtnis an Jesus Christus gehörte bereits zu den ersten christlichen Gemeinschaften selbstverständlich zu ihren Treffen. Die Einsetzungsworte, die Sie aus dem Gottesdienst kennen, stammen aus dem 1. Korintherbrief und sind aller Wahrscheinlichkeit nach noch deutlich älter als die Verse des Johannesevangeliums: "Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis." (1. Kor 11,23-25) Wie Sie vielleicht gemerkt haben, fehlt hier der bekannte Halbsatz: "(in meinem Blut), das für Euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden." Es ist wahrscheinlich, dass für die frühen christlichen Gemeinden vor allem die Gemeinschaft und das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus im Vordergrund standen. Der anschließende Vers im 1. Korintherbrief macht dies deutlich: "Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt." (1. Kor 11,26)
Darum gehe ich davon aus, dass der Schwerpunkt auch noch im Johannesevangelium auf dem gemeinsamen Bekenntnis liegt, wenn dort vom Abendmahl die Rede ist. Es geht darum, sich zu Jesus zu bekennen, indem man von seinem Fleisch isst und von seinem Blut trinkt. Die Aussage, dass diejenigen, die davon essen und trinken, das ewige Leben haben werden, ist nicht etwa "magisch" gemeint, sondern so, dass sich Christus eben diesen neuen Bund zwischen Gott und den Menschen schenkt. Wer sich zu Christus bekennt und also auch das Abendmahl zu sich nimmt, geht diesen Bund seinerseits ein. Da dieser Bund das ewige Leben verheißt, sind eben auch Jesu Fleisch und Blut die "wahre" Speise, weil sie nicht nur am Leben erhält, sondern sogar das ewige Leben schenkt.
Für den Bibeltext ist darum die Frage, ob sich Brot und Wein in Leib und Blut "verwandeln", nicht von großem Belang. Allerdings wird diese Bibelstelle sicherlich immer wieder herangeführt, wenn es um die Frage geht, was bei der Einsetzung des Abendmahles geschieht. Hier ist schließlich sehr deutlich von Fleisch und Blut die Rede. Übrigens habe ich vor recht langer Zeit einmal zusammengefasst, was die Unterschiede im Abendmahlsverständnis der Konfessionen sind. Ich erlaube mir hier, das zu zitieren, denn es geht nicht nur um die Frage, ob sich etwas "verwandelt", sondern auch darum, in welcher Weise Jesus anwesend ist:
- Die katholische Lehre sagt nun, dass sich in der Feier des Abendmahls (der "Eucharistie") Brot und Wein tatsächlich in Leid und Blut Jesu Christi verwandeln. Er ist also geradezu leiblich anwesend.
- Die lutherische Lehre besagt ebenfalls, dass Jesus Christus im Abendmahl real präsent ist. Allerdings werden Brot und Wein durch die Einsetzung (durch den Pfarrer/die Pfarrein) zu einem einheitlichen Sakrament (also zu einem besonderen Zeichen, das den Glauben stärkt). Eine Verwandlung in Leib und Blut geschieht nicht.
- Die reformierte Lehre besagt, dass Brot und Wein lediglich Zeichen für Jesu Christi Leib und Blut sind. In der Feier des Abendmahls ist der Geist Gottes dabei, weil man gemeinsam Brot und Wein teilt im Gedächtnis an Jesus Christus.
- Die unierten Kirchen sind verschiedene vereinigte protestantische Kirchen, die sich in der Regel eher dem lutherischen oder dem reformierten Abendmahlsverständnis anschließen.
Für alle aber gilt, was auch Johannes 6 sagt: Wer sich zu Christus bekennt und am Abendmahl teilnimmt, den wird Christus auferwecken am Tag, an dem er wiederkommt.
Mir sehr herzlichen Grüße
Frank Muchlinsky