Kirchenwiedereintritt und Abendmahl

Tanja Bäuerle

Hallo, ich habe gerade ein Gespräch mit der Pastorin meiner Gemeinde gehabt. Ich bin aus persönlichen Gründen wieder in die Kirche eingetreten. Muss ich jetzt noch am Abendmahl teilnehmen oder ist dies freiwillig? Ich würde mich dabei nicht wohl fühlen. Danke für ihre Antwort und Liebe Grüsse T. Bäuerle

Liebe Frau Bäuerle,

von MÜSSEN kann bei uns in der evangelischen Kirche keine Rede sein. Sie DÜRFEN am Heiligen Abendmahl teil nehmen, Sie sind dazu herzlich eingeladen.

Das Abendmahl feiern wir im Namen Jesu Christi - Jesus Christus selbst lädt dazu ein. Wir dürfen in seine offenen Arme kommen. Schmecken und sehen, wie freundlich unser Gott ist. 

Wer, aus welchen Gründen (gerade) nicht gerne Abendmahl feiert, ist dazu niemals verpflichtet.

 

Die Christenheit feiert seit ihren Anfängen bis heute das Heilige Abendmahl und ist gewiss, dass Christus selbst dazu einlädt. Diese Feier ist eine elementare Handlung: So wie wir Menschen auf ständige Nahrung angewiesen sind, so kommt in der Abendmahlsfeier zum Ausdruck, wie sehr wir auch geistlich der Nahrung bedürfen. Die geistliche Nahrung besteht in dem unerhörten Sachverhalt, dass Gott selbst sich uns in Jesus Christus schenkt, wir aus seinem Geist, aus seiner Gegenwart leben. Dies gilt zwar in jedem Augenblick unseres Lebens, in der Feier des Heiligen Abendmahles aber wird es ausdrücklich und bewusst. Für uns Menschen geht es „nur“ darum, sich diese unerhörte Gabe in der Einfalt des Glaubens schenken zu lassen.

Wegen der fundamentalen Bedeutung dieses göttlichen Geschenks haben die Christen aller Zeiten sich andererseits darum bemüht, sich dieses Geschenk auch denkerisch, theologisch klarzumachen; denn wir sollen ja über unseren Glauben Rechenschaft ablegen. Mit dieser denkerischen Rechenschaft sind nun aber auch Unterschiede in der Christenheit aufgekommen, aus denen bis heute schmerzliche Abgrenzungen ihre Kraft beziehen.

Gottes Gegenwart ist der entscheidende Angelpunkt

  1. Gottes unsichtbare, aber reale Gegenwart ist der entscheidende Angelpunkt. Wie die im Glauben gewisse reale Gegenwart genau gedacht wird, ob sie stärker als Realpräsenz in den Elementen Brot und Wein oder im Handlungsvollzug im Ganzen gedacht wird, ist eine Frage, die mit dem vorgängigen Wirklichkeitsverständnis zusammenhängt. Gottes Gegenwart ist „realer“ als die dingliche Realität von Brot und Wein. So wahr Gott sich in Jesus in die leibliche Gegenwart hineinbegeben hat, so wahr ist seine Gegenwart mehr als ein Ding.

...vergibt Sünden...

  1. Wie auch immer die Gegenwart Gottes (die unser Vorstellungsvermögen überschreitet!) genau vorgestellt wird – wenn Gott gegenwärtig ist, dann sind die uns bedrückende Sünde, der Tod und der Teufel radikal entmächtigt. In Zeiten, in denen das Schuld- und Sündenbewusstsein dominierte, spielte deshalb der Aspekt der Sündenvergebung eine große Rolle. In Gefährdungs- und Todessituationen tritt der Aspekt des ewigen und unverbrüchlichen Lebens stärker hervor.

...und gibt deshalb Anlass zur Freude

  1. In der Vergangenheit wurden die Abendmahlsfeiern mit den Motiven Sünde und Sündenvergebung geprägt, mit einer ernsten, teilweise düsteren Stimmung. In den letzten Jahrzehnten sind zwei andere Aspekte stärker in den Vordergrund getreten:
    1. Von Gottes Gegenwart erfüllt zu sein, kann nicht individualistisch „genossen“ werden. In Gott zu sein, heißt, Glied seines Leibes zu sein, heißt, mit anderen Menschen über alle Unterschiede hinweg gemeinschaftlich verbunden zu sein. In Gottes Gegenwart ist „kein Jude noch Grieche... nicht Mann noch Frau...“ Gottes Gegenwart macht uns zu Gliedern einer umfassenden Gemeinschaft, ja des Kosmos.
    2. Gottes Gegenwart ist ein Vorgeschmack auf jene himmlische Gemeinschaft und Freude, die uns in seiner ewigen Gegenwart erwartet. So haben die Abendmahlsfeiern einen fröhlicheren Grundton gewonnen.

(vergl. https://www.ekd.de/aktuell/76317.html)

Alles Liebe für Sie, Gottes Segen für Sie, liebe Frau Bäuerle. 

Schön, dass Sie wieder in der Kirche und Teil dieser Gemeinschaft sind.

Herzlich, Ihre Sabine Löw