Ich kann nicht mehr glauben.

Sofia

Liebe Frau Löw, ich bin katholisch erzogen worden und habe bis vor wenigen war meine Welt in Ordnung. Ich habe Kinder, bin verheiratet und lebe ein glückliches Leben. Vor einigen Wochen saß ich abends alleine und auf einemal, quasi aus dem Nichts, kam mir der Gedanke: Was ist, wenn nach dem Tod einfach nichts kommt. Der Gedanke kommt bestimmt jedem einmal. Seit dem beschäftige ich mich immer mehr mit dem Thema. Wenn ich Zeit habe, lese ich viel im Internet und denke nach. Und je mehr ich das tue, desto mehr bin ich der Meinung, es wird nichts mehr nach dem Leben auf Erden kommen. Anfänglich gaben mir die Nahtoderfahrungen vieler Menschen Hoffnung, doch inzwischen denke ich, dass es Prozesse in unserem Gehirn sind, die beim Sterben eintreten. Wenn es Gott gibt, was soll dann das Leben hier auf Erden? Wenn wir uns umschauen, sehen wir, wie wir unseren Planeten kaputtmachen. Warum nicht gleich von Anfang an bei ihm bleiben? Als meine Großmutter gestorben ist (sie war sehr gläubig) hat es mir das Herz gebrochen. Ich bin bei ihr aufgewachsen. Getröstet hat mir nur der Gedanke, sie eine Tages wiederzusehen. Inzwischen kann ich das nicht mehr. Ich habe das Gefühl, die Trauer nochmal zu erleben. Ohne tröstliche Gedanken. Ich danke Ihnen, dass Sie meine Zeilen gelesen haben! Herzliche Grüße, Sofia.

Liebe Sofia,

danke, dass Sie mir das geschrieben haben. Wären Sie jetzt hier bei mir, würde ich Sie gerne in den Arm nehmen. Gott spricht "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet" - und Sie trauern um Ihre liebe Großmutter und sind gerade so trost-los und traurig. Ich kann Ihnen Ihren Kummer nicht nehmen, nicht ihren Schmerz. Aber ich kann Ihnen sagen, wie es mir selbst geht. Ich glaube absolut und ohne Zweifel an ein Leben nach dem Tod. Ja, ich weiß, das klingt vollmundig und steil, wie ich das sage - aber es ist tatsächlich so.

Als ich als junge Vikarin meine erste Beerdigung zu halten hatte, hatte ich Angst. Ich mag den Tod nämlich nicht, um nicht zu sagen: ich hasse den Tod (auch das formuliere ich bewusst so krass, weil es so ist). Ich finde ihn ganz schrecklich. Und ich hatte die Sorge, wie es mir wohl gehen würde da am Grab. Und es war unglaublich: eine Auferstehungshoffnung hat mich erfasst - ein Licht, ein Feuer, eine Liebe, ein Glück. Ich bekam eine Gewissheit von: Diese Person ist nicht hier, sie ist auferstanden.

So wie wir jetzt am Sonntag an Ostern feiern. Jesus lebt! - er ist aus dem Tod auferstanden - und so werden auch wir auferstehen. Ich kann das richtig fühlen. Auch bei den lieben Menschen, die ich durch Tod aus meinem Leben verloren haben: Sie sind noch immer da. Sie sind nicht weg und tot.

Aber mit meinen Gedanken und Gefühlen kann ich Ihnen, liebe Sofia, Ihren Schmerz nicht nehmen. Es ist nur einfach so: ich bin davon überzeugt, dass der Tod nicht das Ende, sondern der Beginn von einem neuen Leben. Der Tod ist ein Komma, nicht ein Punkt - danach geht es wunderbar in Gottes Liebe und Licht weiter, in seinem Eschaton. Erfüllt von Glück, wie wir es hier auf Erden nur selten erleben. Das ist mein Glaube.

Eine Geschichte, die ich gerne auf Friedhöfen auch erzähle von dem Priester Henry Nouwen möchte ich Ihnen auch hier weiter geben, weil ihre Großmutter hat auch ein Kind geboren und Sie wurden geboren ... und ich denke, Tod ist auch eine Art von Geburt. Ich drücke Sie fest - herzlich, Ihre Sabine Löw. Die Geschichte heißt:

Gibt es ein Leben nach der Geburt?

Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch seiner Mutter.

"Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?" fragt der eine Zwilling.

"Ja auf jeden Fall! Hier drinnen wachsen wir und werden stark für das was draußen kommen wird." antwortet der andere Zwilling.

"Ich glaube, das ist Blödsinn!" sagt der erste. "Es kann kein Leben nach der Geburt geben – wie sollte das denn bitteschön aussehen?"

"So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen?"

"So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur viel zu kurz."

"Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders."

"Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen von ’nach der Geburt‘. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Punktum."

"Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden und sie wird für uns sorgen."

"Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte?"

"Na hier – überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!"

"Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht."

"Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt…."

nach Henry Nouwen,