Wie gerecht ist Gott?

R. Richard

Arbeiter arbeiten unterschiedlich lange, beide erhalten aber den gleichen Lohn. Beschwert sich der, der länger arbeitet, dann ist er neidisch? Der Weinbergbesitzer ist aber gütig. Allerdings nur gegenüber dem, der weniger gearbeitet hat! Ist das gerecht? Was heißt der Erste wird der Letzte sein, der Letzte wird der Erste sein.

Über eine Antwort würde ich mich freuen.

Lieber Herr Richard,

 

Das Gleichnis von den "Arbeitern im Weinberg" in Matthäus 20,1-16 geht es Jesus darum deutlich zu machen, dass Gottes Gerechtigkeit eben anders ist als menschliche Gerechtigkeit. Der Spitzensatz ist nicht unbedingt der von Ihnen zitierte, dass die Ersten die Letzten sein werden und umgekehrt, sondern dass der Weinbergbesitzer im Gleichnis auf seine Güte hinweist: "Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?" fragt er den Arbeiter, der sich bei ihm über die vermeintliche Ungerechtigkeit beschwert.

In diesem Gleichnis geht es nicht um Lohngerechtigkeit in einem Betrieb, sondern es geht um das Versprechen, das Gott denen gibt, die an ihn glauben: Arbeite mit an meinem Reich, mach mit, und du wirst das ewige Leben haben. Dieses Versprechen gilt allen Menschen, und es ist ganz gleich, wann sie diese Einladung annehmen. Niemand wird mehr bekommen, nur weil er länger dabei ist.

 

Natürlich ist Gottes Gerechtigkeit eine, die unserem menschlichen Gerechtigkeitsempfinden widerspricht. Aber eben darum muss Jesus dieses Gleichnis ja erzählen. Es ist eine Geschichte gegen den Neid. Ihre Frage "Ist das gerecht?" kann ich darum nur so beantworten: Ja, absolut! Der Weinbergbesitzer gibt jedem so viel, wie er braucht. Er ist also allen gegenüber gütig, weil er jedem das Leben ermöglicht. Niemand kommt zu kurz. Natürlich ist es verständlich, dass diejenigen, die einen ganzen Tag geschuftet haben, am Abend besonders müde sind und darum neidisch auf die sind, die nicht so viel arbeiten mussten. Aber Gottes Gerechtigkeit bedeutet eben, dass niemand weniger bekommt. Das bedeutet im Umkehrschluss zwangsläufig, dass auch niemand mehr bekommen kann als andere.

 

Der Satz mit den Ersten und Letzten bezieht sich auf die Tatsache, dass der Lohn in dem Gleichnis zuerst denen ausgezahlt wird, sie als letzte angefangen haben zu arbeiten. Anscheinend hat es in den ersten christlichen Gemeinden häufig Streit darüber gegeben, ob im erwarteten Gottesreich alle gleich behandelt werden würden. Warum sollten diejenigen, die sich schon lange für den christlichen Glauben engagieren, vielleicht sogar besonders leiden müssen, weil sie zu ihrem Glauben stehen, warum sollten diese Leute im Reich Gottes auf derselben Stufe stehen wie diejenigen, die sich erst "kurz vor Schluss" zum christlichen Glauben bekennen? Das Gleichnis sagt: Weil Gottes Güte radikal ist: Sie macht keinen Unterschied.

 

Herzliche Grüße

Frank Muchlinsky