Ich treffe immer wieder auf Menschen, die die Taten von Jesus anzweifeln und so argumentieren, dass sie nach den geltenden Naturgesetzen nicht möglich sein können. Ich glaube jedoch daran und stoße aber auch an meine Grenzen, weil ich kein passendes Argument dafür habe. Ich kenne auch die Naturgesetze und streng genommen, sind die Taten von Jesus in diesem Sinne nicht möglich. Haben Sie für mich Denkanstöße oder sogar Argumente dafür, dass es doch möglich ist, wozu Jesus in der Lage war?
Liebe Liese,
die Zweifler sind zunächst in bester Gesellschaft. Seit dem Zeitalter der Aufklärung (17./18. Jahrhundert) gilt, dass nur das wahr sein könne, was mit den Naturwissenschaften erklärbar sei. So versuchten auch die Theologen die Wundertaten Jesu naturwissenschaftlich zu erklären. Konkret sah das dann so aus: Wenn Jesus auf dem Wasser gehen kann, wie es zum Beispiel bei Markus 6,45-52 steht, dann läge das daran, dass Jesus auf Brettern, die im Wasser lagen, gelaufen sei. Die 5000 (zum Beispiel bei Matthäus 14,13-21) wurden deshalb alle satt, weil viele etwas zu Essen dabeihatten und es teilten. Der Theologe David Friedrich Strauß (1808-1874) erklärte hingegen, dass Wundergeschichten als reine Mythen anzusehen seien, die geschrieben wurden, um Jesus als den Messias, den Erlöser der Welt, darzustellen. Das bräuchten aber nur die Menschen der Antike, denn die Naturgesetze belehrten uns ja eines Besseren. Dadurch ist aber etwas Wichtiges verloren gegangen: Wunder als etwas zu begreifen, was Gott durch Jesus tut. Gott handelt durch Jesus an der Welt. Strauß unterstellt außerdem der antiken Bevölkerung, sie sei eben nicht so intelligent gewesen.
Ich möchte gerne mal darauf schauen, was wir überhaupt unter einem Wunder verstehen. Heute sagen einige: Ein Wunder ist etwas Außergewöhnliches, das nicht mit den Naturgesetzen vereinbar ist. Die Menschen zur Zeit Jesu hätten wohl eher gesagt: Ein Wunder ist ein unbegreifliches Ereignis, das Staunen lässt. Weil die moderne Menschheit so sehr an Naturgesetzen hängt, scheint das Staunen verlorengegangen zu sein. Muss denn immer alles mit dem Verstand erklärbar sein? Interessant finde ich hier eine Studie aus dem Jahr 2006, die in der FAZ veröffentlicht wurde „Wer glaubt an Wunder?“ – Die überraschende (und „erstaunliche“) Antwort: Jeder zweite Deutsche glaubt an Wunder, Tendenz steigend. Dabei lässt sich feststellen, dass Wunder von jedem anders definiert werden und dass der Glaube an Wunder vollkommen unabhängig davon ist, wie gebildet jemand ist. Viele berichten sogar, dass sie Wunder selbst schon erlebt haben. Andererseits scheint es aber schwerzufallen, Jesus als Wundertäter anzuerkennen.
In der Frage nach den Wundertaten Jesu spielt der Glaube die entscheidende Rolle. Der christliche Glaube setzt doch auf die Hoffnung, dass Gott seine geschaffene Welt anders haben will und somit verheißt, dass die Zustände voller Leid in der Welt geändert werden können (Römerbrief 8,19-25). Nichts in der Bibel wird aber so sehr angezweifelt wie die Wundergeschichten, denn hier passieren Dinge, die mit dem menschlichen Verstand einfach nicht erklärt werden können. Stattdessen werden die Wundergeschichten als Märchen ohne Realitätsbezug abgetan. Allerdings tun wir hier wie gesagt den antiken Autoren unrecht. Man sollte ihnen die gleiche Vernunft zusprechen, die wir für uns in Anspruch nehmen. Antike Autoren hatten aber eine andere Weltsicht: Wahr ist, was von Gott kommt, auch wenn das nicht naturwissenschaftlich erklärt werden kann. Das ist eine wirkliche Herausforderung für uns. Wir sollten auf unseren Glauben vertrauen, auch wenn unsere religiösen Ansichten zunächst jeder naturwissenschaftlichen Einsicht entgegenstehen. Übrigens gibt es auch Beispiele aus unserer Welt, die wir mit Sehen, Riechen, Hören, Schmecken, Tasten nicht richtig erfassen können. Ich denke gerade an ein Foto. Auf dem Foto sieht man zwei Menschen, die nebeneinander sitzen. Man sieht keinerlei Emotionen in den Gesichtern. Auf den ersten Blick scheinen die zwei Personen also nichts miteinander zu tun zu haben. Umso erstaunlicher dann aber die Information, dass es sich bei den zwei Personen um ein Pärchen handelt, das sich inständig liebt. Man kann nicht alles mit dem Verstand erfassen.
Zugegeben: Es ist unwahrscheinlich, dass Jesus Wasser in Wein verwandelt hat, dass er über Wasser laufen konnte oder gar Tote auferwecken vermochte – ABER: Unser christlicher Glaube erlaubt es doch, dass Gott auch Dinge tun kann, die unseren menschlichen Gesetzen vollkommen widersprechen, und das sind Wunder.
Im Übrigen sollte man gerade Erzählungen von wundersamen Heilungen (die es ja auch von Jesus gibt) durchaus kritisch prüfen, denn nicht allzu selten, kann es sich auch um Betrüger und Schwindler handeln. Aber Wunderheilungen kann man dann eben auch nicht pauschal ausschließen. Die heutige Forschung geht daher davon aus, dass Jesus tatsächlich die Fähigkeit hatte zu heilen.
Wundergeschichten geben Hoffnung und wirken gegen Angst. Sie erzählen davon, dass Gott diese Welt mit allen Geschöpfen liebt und es eine Wirklichkeitsvorstellung gibt, in der es gutes und gelingendes Leben gibt.
Zu guter Letzt: Gott, der durch Jesus die Wunder geschehen lässt, lässt sich nicht in weltliche Gesetze pressen. Nicht umsonst heißt es am Ende so mancher Predigt: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus“ (Philipper 4,7).
Herzliche Grüße
Stefanie Keller