Können Kleinkinder einen Glauben haben?

Lutz Felbick

Ob Kleinkinder sämtliche Abschnitte des Glaubensbekenntnisses kennen, scheint mir sehr fraglich. Mit der Frage der Jungfrauengeburt werden die Kinder überfordert sein. Der jüdische Jesus sagt dazu in Mk 10,14, die Kinder werden auch selig werden ohne den Glauben an die Jungfrauengeburt, denn solchen gehört ohnehin das Reich Gottes. Die Kirche setzt mit ihrem Kirchenrecht andere Schwerpunkte, denn wer das Bekenntnis in Gestalt des Apostolikums wegen der dort genannten Jungfrauengeburt ablehnt, kann nicht ordiniert werden. Gleiches gilt für Presbyter auch sie können das Kirchliche Amt nur mit Zustimmung zur Jungfrauengeburt erlangen. So habe ich es jedenfalls erfahren und ich komme zu dem Ergebnis, dass der Fisch vom Kopf stinkt.

Sehr geehrter Herr Felbick, 

auf Ihre Fragen möchte ich Ihnen drei Antworten geben. 

Formal möchte ich festhalten, dass bei jeder Taufe eines Kindes die anwesende Gemeinde und vor allem die Patinnen und Paten mit ihrem Glauben für ihr Patenkind eintreten. Sie sprechen das Apostolische Glaubensbekenntnis und hoffen, dass das Kind - ideal mit der Konfirmation - in dieses Bekenntnis einstimmen kann. Doch Glaube kommt nicht automatisch und bleibt auch nicht immer gleich, Glaube verändert sich und in jeder Lebensphase wird er anders und neu, Glaube ist auch mit Mühe verbunden, braucht den Verstand und hat im Glaubensbekenntnis einen Konsens formuliert. Niemand verlangt, dass man zu jedem Satz des Bekenntnisses immer das gleiche Verhältnis hat. Mit Kindern ist es wichtig zu beten und aus einer guten Kinderbibel vorzulesen, sie sind zunächst nicht theoretisch an einem Text, wie dem Bekenntnis, interessiert. Glauben zu praktizieren ist eine zentrale Voraussetzung für das späteres Einstimmen der Kinder in das Glaubensbekenntnis der Kirche. Kinderglaube lebt übrigens auch von dem Vertrauen, das Kinder nicht nur durch christliche Inhalte erwerben, sondern vor allem durch die vorgelebte und plausible Praxis ihres Umfeldes einüben. Das ist Teil des "selig Werdens" an das Sie aus Mk 10 anknüpfen. 

Inhaltlich möchte ich mit einem Erlebnis antworten. Ein junger Pastor geriet in eine tiefe Krise, er hätte, so dachte er, seinen Glauben verloren. Ein älterer Kollege sagte zu ihm: "Deine Zweifel sind ab jetzt ein Teil deines Glaubens." Dann sprach er von Gott und dessen, Gottes,  Krise die Gott zweifellos am Kreuz durchgemacht hat. "Bruder", sagte er "Sie sind mit Ihrem Zweifel in bester Gesellschaft." Der Jüngere fragte, wie er denn seiner Gemeinde Zeugnis geben könne, der ältere sagte: "Bleiben Sie bei der Wahrheit." Der junge Pastor sprach später von dieser Zeit, er habe seinen Beruf aufgeben wollen und hatte sich dann für eine Auszeit und eine Reha entschieden, er habe gerungen. Sein alter Glaube sei nie zurückgekehrt aber er habe sich, nachdem er die Zweifel durchlebt hatte, sicherer gefühlt. Er hätte entdeckt, dass der Glaube wie eine große alte Kathedrale ist, sein Glaube habe eine solche Weite bekommen, dass er niemals alles, was dazugehört, mit seinem Leben und einem eigenen Bekenntnis erfassen könne. Seit ich von diesem Gespräch gehört habe, erwarte ich nicht mehr, dass ich alles, was in den komprimierten Sätzen des Glaubensbekenntnisses steht, immer in gleicher Weise  mit meinem persönlichen Glauben ausfüllen muss. Ich stelle mir vor, ich betrete eine Kathedrale und ahne die Tiefe des Raumes, ohne alles selbst erkennen und begreifen zu müssen. 

Zum Thema Jungfrauengeburt gibt es im hier Fragenbereich viele Antworten. Ich möchte das heute abkürzen. Die Geburtsgeschichten, die von Jesu Geburt erzählt werden, sind ein Ausdruck dafür, dass Gott selbst Mensch wird. Viel mehr wollen die Evangelien nicht zum Ausdruck bringen. Das Wort Jungfrau sollte einst Verständnis schaffen, es will uns heute aber nicht den Verstand vernebeln. Und trotzdem lohnt sich die Diskussion über die Rolle der Maria für unseren Glauben. Und: Die evangelische Kirche diskutiert gerne über inhaltliche Themen. 

Doch dann lese ich in Ihrer Frage von einem kaum verdeckten Ärger. Kann es sein, dass Sie oder jemand aus Ihrem Umfeld als Presbyter:in für eine Kirchenwahl vorgesehen ist und sich scheut, das ganze Glaubensbekenntnis bei der Amtseinführung mitzusprechen? Wenn es um einen konkreten Konflikt geben sollte, dann ziehen Sie bitte jemanden aus Ihrem Kirchenkreis zu Rate, versuchen Sie eine Klärung unter vier, dann sechs Augen und wenn das nicht hilft, ziehen Sie die Gremien Ihres Kirchenkreises oder der Landeskirche zu Rate. 

Herzlich grüße ich Sie, Ihr Henning Kiene 

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