Sind Schimpfwörter und Fluchen laut Bibel wirklich Sünde?

Anonym
Bild von Megafon mit Sprechblase auf Tafel, in dem Symbole reingemalt sind
©Getty Images/iStockphoto/Sadeugra

Hallo, ich weiß nicht wie ich am besten fragen soll, also komm ich gleich zur Sache: In der Bibel gibt es mehrere Stellen, die eventuell Schimpfen und Fluchen kritisieren oder verbieten:  Kein schlechtes Wort soll aus eurem Mund kommen, sondern nur, was gut ist, um andere zu erbauen, wo es nötig ist, damit es den Hörern Gnade gibt (Epheser 4,29). Auch unanständige oder dumme oder zweideutige Reden sind unangebracht (Epheser 5,4-5). Ich sage euch: Am Tag des Gerichts müssen die Menschen Rechenschaft ablegen von jedem unnützen Wort, das sie geredet haben (Matthäus 12,36). Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht (Exodus 20,7). Jetzt aber sollt ihr das alles ablegen: Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung und schmutzige Reden (Kolosser 3,8). Heißt das: Schimpfwörter, Fluchen und Kraftausdrücke sind Sünde, auch wenn sie an niemanden gerichtet sind und nur als Jugendsprache benutzt werden, also als Füllwort oder Ausdruck der Überraschung? Und was ist gemeint mit "unnützen Wörtern"? Ich bin mir echt unsicher, deswegen würde ich mich freuen, wenn man mir das beantworten könnte. Vielen Dank, "Anonym"

Lieber anonymer Fragesteller,

über Ihre Frage freue ich mich, Sie vertrauen uns, dem Fragenteam und ich möchte keine unnützen Worte verlieren, sondern direkt zur Sache kommen. 

In alten Zeiten war es üblich, dass man andere Menschen und deren Leben verfluchte. Widersacherinnen, Nebenbuhlern, Konkurrentinnen und den Erfolgreichen wollte man mit Flüchen das Leben schwer machen. Dazu wurden irgendwelche Götter bemüht, die sollten unbequemen Menschen Schaden zufügen. Die Flüche wurden in kleine Täfelchen eingeritzt, in der Nähe der Opfer platziert. Magisch sollten die das Schicksal des betroffenen Menschen an eine übermenschliche, göttliche Macht binden und den Menschen Schaden zufügen. Woher man das weiß: Bei archäologischen Grabungen kamen die, zum Teil eng mit Flüchen beschriebenen Täfelchen zu Tage. 

So fern ist das ganze eigentlich nicht. Ich stelle mir dieses Verfluchen wie einen Shitstorm vor, nur nicht ganz so öffentlich aber solche Flüche vernichten noch immer menschliche Existenzen. 

Heute sagt man schnell, auch leichtfertig, manches harte Wort, kommentiert das, was man von anderen Menschen weiß und denkt nicht an die Wirkung seiner Worte. Früher aber glaubte man an die Wirksamkeit eines Fluches. So dachte man: Ein Fluch verändert die Sphäre eines Menschen, stört dessen Aura, nimmt Einfluss auf Lebensläufe. Heute, so fürchte ich, ist es nicht viel besser, man stört das Leben des nicht geliebten anderen Menschen, kommentiert öffentlich im Netz und vergisst dabei jeden Anstand. 

Mit dem aufkommenden christlichen Glauben wurde diese Praxis mit den schriftlichen Flüchen in den Hintergrund gedrängt. Jesus schließt das Fluchen aus, er sagt: "Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen." (Lukas 6,27-28) Das ist ja auch Ihre und meine Überzeugung: Lieben ist besser als Fluchen, segnen ist besser als Beleidigungen auszurufen. Das gilt immer und überall. Auch dem Shitstorm gebietet Jesus schon Einhalt.

Damit ist Ihre Frage eigentlich beantwortet. Fluchen, Verfluchen, und all diese Dinge sollen nicht sein.

Die kleinen Täfelchen mit den Flüchen verschwanden - zumindest in den christlichen Gemeinden. Trotzdem ist das Fluchen geblieben. Immer wieder mussten sich die Christinnen und Christen gegenseitig an Gottes Wort erinnern. Sie führen in Ihrer Frage ja gewichtige Beispiele an und erinnern an das Verbot Flüche auszustoßen. Auch Martin Luther widerholt dieses Gebot in seiner kurzen Erklärung zum 8. Gebot im kleinen Katechismus: "Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren." (Kleiner Katechismus von Martin Luther

In meinem Pastorenleben bin ich der Angst vor einem solchen Fluch nur selten begegnet, ich kenne aber die Furcht Jugendlicher vor Mobbing durch Mitschülerinnen und Mitschüler, ich hören häufig die Bitte um Segen, zu segnen ist Alltag in meinem Beruf. Wenn Menschen zusammenleben, ist es schwierig zu akzeptieren, dass andere Menschen - auch die vertrauten Menschen - anders sind, als ich es bin. Es wird viel gelästert und gespottet und Schaden angerichtet. Manches harte Wort wirkt wie ein Fluch. "Bitten Sie um Segen", höre ich in solchen Momenten. Denn: Beschimpfungen, Hasstiraden, harte Urteile über Menschen und deren Lebensweise, vergiften das Klima. Worte zerreißen schnell das Gemeinsame, das uns Menschen verbindet. Die "unnützen Wörter" von denen Sie schreiben, sind wirklich unnütz. 

Ein Satz zur "Jugendsprache". Das Jugendwort 2024 ist: "Aura". Gemeint ist genau das Gegenteil vom Verflucht sein, es geht um die wohltuende Ausstrahlung, die von einem anderen Menschen ausgeht. Die Aura gilt es zu stärken, so verstehe ich auch Ihre Sammlung wichtiger Bibelzitate. 

Ich grüße Sie mit dem Gegenteil eines Fluches, einem Segenswunsch: 

Gott sei dir Schutz und Schirm,
Bewahre dich vor allem Argen,
Behüte dich zu allem Guten. (Ute Knie)

Herzlich, Ihr Henning Kiene 

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