Werte Damen und Herren, Pornographie ist auch unter Mitchristen präsent. Gott weiß um die Beweggründe dafür. Ich hätte gerne Ihre Einschätzung: Ist Pornokonsum genauso als Sünde anzusehen wie die Praxis selber? Man soll ja der Hurerei fliehen. Man könnte natürlich die Schau mit hineinnehmen, auch wenn es das damals so nicht gab. Für mich ist halt dennoch ein Unterschied, ob ich "nur aus Neugier" schaue oder selber praktiziere. Ich habe gelesen, dass einer meinte, dass Christen, die das schauen, nicht wiedergeboren seien, was ich für anmaßend halte. Meine Frage dazu an Sie: Darf man jeden Menschen oder jeden Christen pauschal als unzüchtig bezeichnen, der Erotik oder eben Pornographie konsumiert? Ist Augenlust oder Fleischeslust immer als Sünde direkt anzusehen oder eben oft auch als sexuelle Fantasie? Danke, wenn Sie mir Ihre Gedanken dazu mitteilen könnten! Friedliche Tage wünscht Ihnen allen Heiko
Lieber Heiko,
Sie haben uns Ihre Frage zweimal gestellt. Ich antworte Ihnen auf die zweite Frage, die wirkt wie eine aktualisierte Fassung Ihrer ersten Frage. Zunächst danke ich Ihnen für Ihr Vertrauen. Sie scheuen das Thema "Unzucht" nicht. Viele Menschen weichen diesem Thema aus. Sie bitten um eine ehrliche Antwort. Ich antworte: Sie übersehen einen wichtigen Unterschied, denn Sie nennen Erotik und Pornographie in einem Atemzug. Tatsächlich haben Erotik und Pornographie nichts miteinander zu tun.
Erotik ist dieses Knistern zwischen zwei Menschen, die Möglichkeit einer aufkeimenden Liebe, dieses unbedingte Verliebtsein. Solche Liebe sucht auch die sinnliche Nähe, den Duft eines Menschen, dessen Augen, Haare, die Haut, die Stimme, ein Gespräch. Liebe will spüren und hören und verbindet das Herzklopfen mit aufkeimender Leidenschaft. Hier knistert Erotik und der Duden beschreibt Erotik so: "den geistig-psychischen Bereich einbeziehende sinnliche Liebe; Liebes-, Geschlechtsleben."
Pornografie ist etwas anderes, sie kennt kein erotisches Knistern. Der Duden schreibt dazu: "Sprachliche, bildliche Darstellung sexueller Akte unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung der psychischen und partnerschaftlichen Aspekte der Sexualität". Hinter der Pornografie steht eine Industrie, die auf Gewinnmaximierung zielt, sie produziert keine Erotik sondern Actionfilme. In dieser Industrie arbeiten in erster Linie Menschen, die als Actiondarsteller ihr Geld verdienen müssen. Liebe, Zuneigung, vielleicht auch dieses Knistern, sogar die sexuellen Höhepunkte werden für zuschauende Menschen nur gespielt. Darstellerinnen und Darsteller zeigen Dinge, die im normalen Leben doch ganz anders geschehen. Normales Leben ist empfindsam, freundlich, sinnlich, kennt kein festgelegtes Drehbuch und kann auch scheitern und man versucht es neu. Man mag Pornos schön finden, aber Erotik ist etwas ganz anderes.
Die christliche Ethik geht davon aus, das Menschen, die sich leidenschaftlich begegnen, auf Augenhöhe freiwillig kommunizieren, sich gegenseitig vertrauen, zuverlässig bleiben und - selbstverständlich - unentgeltlich zusammen sind. Ethisch verantwortete Erotik ist eine Form des respektvollen Umgangs miteinander. Solche Erotik hat mit Unzucht nichts zu tun. Unzucht ist das Gegenteil von Respekt, so der Duden zur Unzucht: "Gegen die sittliche und moralische Norm verstoßendes Verhalten zur Befriedigung des Geschlechtstriebs." Beispiel für Unzucht: Der sexuelle Missbrauch, der in unserer Kirche festgestellt wurde, zeigt, dass die Ehrfurcht vor den Menschen abhanden kommen kann. Der respektlose Umgang, diese Anmaßung von Macht, die vor allem Kindern und Jugendlichen schwere Schäden zugefügt hat, verdient das Wort "Unzucht", und das ist eine wirklich schwere Sünde.
Also bitte urteilen Sie selbst, ich denke Pornofilme anzusehen - ob absichtlich oder zufällig - verschwindet hinter solcher Unzucht.
Aber Pornokonsum verunsichert viele Menschen, viele Menschen meinen, man müsse solche Filme nur nachahmen um eine glückliche Erotik zu erleben. Wir Menschen sind keine Actiondarstellerinnen und Actiondarsteller. Wir brauchen das leise Vertrauen, das Gegenüber echter Menschen, die wir riechen mögen und deren Leidenschaft wir mit unserer eigenen Leidenschaft verbinden können.
Lesen Sie in der Bibel einmal nach, wie es dort mit der Erotik geht. Im Hohen Lied der Liebe sind die schönsten erotischen Verse, die die Literatur hervorgebracht hat, aufgeschrieben. Die Bibel ist sinnlich: "Wie schön und wie lieblich bist du, du Liebe voller Wonne! Dein Wuchs gleicht einem Palmbaum und deine Brüste den Trauben." (Hoheslied 7,7+8)
Wer die Unterscheidung zwischen Erotik, Pornografie und Unzucht nachvollzieht, dem wird das Gewissen hoffentlich etwas leichter.
Ihre Frage wird unserem Fragenteam häufiger gestellt. Pastor Frank Muchlinsky antwortete etwas anders als ich Ihnen antworte, bitte lesen Sie auch seine Antwort auf Ihre Frage "Bestraft Gott Pornokonsum?" Auch unser evangelisches Magazin Chrismon hat sich unter der Überschrift "Viel geiler als in echt" mit dem Thema befasst und mit der Therapeuten Ann-Marlene Henning und dem Ethikprofessor Peter Dabrock ein spannendes Gespräch geführt.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit, Ihr Pastor Henning Kiene