Was passiert nach dem Tod?

Heyfisch

Liebe Frau Erichsen-Wendt In einer Diskussion mit katholischen Christen ist mir aufgefallen wie klar deren Vorstellung (z.B. der Glaube an das "Fegefeuer") für die Zeit direkt nach dem Tod geprägt ist. Ich weiß, dass im evangelischen Bereich das "Fegefeuer" abgelehnt wird, weil keine Leistung von Menschenseite gebraucht wird, um Gottes Gnade zu erhalten - aber was für eine Vorstellung für die Zeit nach dem Tod gibt es dann?

Liebe/r „Heyfisch“,

 

dass wir den Glauben über unseren Tod hinaus bedenken, liegt zum einen daran, dass wir Gott so bekennen, dass sein Handeln nicht an den Grenzen unseres Lebens aufhört. Zum anderen ist der Mensch ein „Hoffnungswesen“, das bedeutet, dass er in der Lage ist, die Gegenwart gedanklich und imaginierend zu überschreiten.

 

Nun sollte man sich von der Zwingkraft einer Logik freimachen, dass das „Einfachere“ automatisch besonders nah an der Wahrheit sei. Wichtig ist, was sich als gewiss erweist, und das kann auch unscharf, an den Rändern diffus sein, metaphorisch.

 

„Ewiges Leben“, „Leben nach dem Tod“ ist eine mögliche Zielvorstellung christlicher Hoffnung. Sie meint ein authentisches, zum Wesen gekommenes, echtes Leben in Gottes Raum und Zeit. Unter den Bedingungen, unter denen wir jetzt leben, können wir davon Ahnungen wahrnehmen, Spuren erkennen (lesen Sie dazu etwa Joh 3, 15f; Joh 5, 24). Etwas Neues wird imaginiert, was wir erahnen, wir leben dafür jetzt aber nicht in einer (qualitativ schlechteren) „Kopie“ oder einem „Abbild“. Auch die jetzige Welt ist Gottes Welt.

 

Und Imagination ist bildaffin. In der Bibel gibt es eine Vielzahl von Bildern, die Aspekte der von Gott her erhofften Zukunft bergen: die Auferstehung von den Toten, die neue Stadt Gottes, das Festmahl der Völker u.a.

 

Menschliche Hoffnung bricht oft an Rissen auf: An der Wahrnehmung, dass unsere Welt oder mein Leben bruchstückhaft ist; an der Wahrnehmung, dass Gott unter dem, was geschieht, verborgen bleibt. Deshalb hat endzeitliche Hoffnung auch sehr häufig die Aspekte, dass die Welt und das Leben zu einer Vollendung gebracht werden (bzw. im Bruchstückhaften vollständig angenommen werden) und dass ein vollständiges Erkennen möglich ist, das in liebevoller Perspektive geschieht: Was wir jetzt nur bruchstückhaft wahrnehmen und verstehen, wird dann ganz sein (1 Kor 13,12).

 

Die – nicht auf biblische Begründungen zurückführbare – (überwiegend römische) Lehre vom Fegfeuer beantwortet aus meiner Sicht nicht die Frage, was nach dem Tod geschieht, sondern, was geschehen müsste, damit geschehen kann, was nach dem Tod geschieht, also einfacher gesagt: Wie der Mensch für das verheißene Leben nach dem Tod zurechtgebracht wird. Es markiert also (nur) einen „Zwischenschritt“ (sofern es Sinn macht, über das Leben nach dem Tod überhaupt in zeitlichen Kategorien zu denken), der die Frage beantwortet, wie am Ende der Zeiten die lebensgeschichtlichen Entscheidungen eines Menschen ernstgenommen werden.

 

Da dies, „was geschehen müsste“, nach evangelischem Verständnis – wie Sie schon in Ihrer Frage richtig andeuten – allein aus Gnade bzw. allein durch das Wirken Christi geschieht und ohne Zutun des Menschen, glauben wir als Evangelische, dass es für ein Leben bei Gott nach dem Tod keine Zugangsbeschränkungen gibt, die ein Handeln von Menschen erforderlich machen.

 

Welcher Bilder der Hoffnung Sie sich bedienen, um dem „Leben nach dem Tod“ dann für sich eine Farbe zu geben, hängt auch davon ab, an welche Erzähltraditionen des Christentums Sie durch Ihre Lebensgeschichte bedingt besonders gut anknüpfen können.

 

Hoffentlich hilfreich?

 

Es grüßt herzlich

Ihre

Friederike Erichsen-Wendt