Hört mich Gott, auch wenn ich die Hände nicht falte?

Lukas
Frau betet mit geschlossenen Augen
© Darius Bashar / Unsplash
Ich habe oft das Problem, dass ich abends wenn ich im Bett liege und die Hände falte um mit Gott zu sprechen, nicht mehr die richtigen Worte finde, um alles loszuwerden was mich beschäftigt. Untertags habe ich häufig Momente, in denen ich in Gedanken direkt zu Gott spreche und es mir viel leichter fällt meine Bedenken und Fürbitten zu äußern. Nur bin ich dabei meistens irgendwie beschäftigt und benutze meine Hände für andere Sachen. Kann mich Gott trotzdem hören?

Lieber Lukas,

in alten Zeiten öffneten die betenden Gemeindeglieder ihre Hände und hoben sie in Richtung des Himmels. Auch der Blick war nach oben gerichtet. Die Christinnen und Christen der ersten Jahrhunderte standen selbstbewusst vor Gott. Das sprichwörtlich "erhobene Haupt" war eine Gebetshaltung. Als der christliche Glaube bei uns in den nördlicheren Breiten die alten germanischen Riten ablöste, wurde das Falten der Hände zur Gebetshaltung.  Gefaltete Hände waren ursprünglich eine Unterwerfungsgeste und wurden bei uns zur christlichen Gebetshaltung. Jedoch: Das Aufheben der Hände blieb an vielen anderen Orten weiterhin die christliche Gebetshaltung. Die Bibel kennt aber auch das Knien, das Liegen auf dem Angesicht, Stehen und - natürlich - das Erheben der Hände. Kurz: Die Haltung betender Menschen ist nicht starr festgelegt. Sie können entspannt Ihre Gedanken laufen und zum Gebet werden lassen. Gott hört Sie. 

Ich stelle mir vor, wie Sie die alltäglichen Dinge, die Sie vorhaben und bearbeiten müssen, mit Gebeten - vielleicht sind es nur Fetzen von Gedanken - verbinden und Ihre Nächsten, sich selbst und das Gelingen und Versagen vor Gott ausbreiten. Oder: Ihre Leitung zum Himmel ist immer offen, auch dann, wenn Ihre Hände arbeiten. 

Mir persönlich tut es gut, wenn nicht nur ein lautes "Oh Gott" mein Gebet ist, sondern sich mein Dank, meine Bitte und mein Seufzen spontan mit Gott verbinden und zum dauerhaften Gebet werden. 

Sie sollten Ihre Gedanken über die richtige Körperhaltung in den Hintergrund stellen. Trotzdem bleibt die Körperhaltung wichtig, denn Gebetshaltungen sind so etwas wie Tischsitten und gute Umgangsformen . Ich möchte mich würdig vor Gott erweisen und mich in die versammelte Gemeinde einfügen. Gefaltete Hände zeigen, dass ich meine Hände ruhen lasse und hier nur noch Gott wirken kann. Die aufrechte Haltung mit erhobenen Händen zeigt, dass ich offen bin für Gott, wie ein Gefäß lebe, das mit seiner Kraft gefüllt sein muss, um leben zu können. Mit gefalteten Händen gehe ich auch den Energien nach, die in mir fließen. Offene Hände zeigen mir: Du bist ein angewiesenes Lebewesen. Die Haltung hilft auch dabei Worte zu finden. Denn wenn ich eine Haltung einnehme, finde ich häufig auch die richtigen Sätze, die ich vor Gott bringen möchte. 

So sehr ich Sie ermutige, Ihre Gebete nicht an Haltungen festzumachen, sondern Ihre Gedanken - auch spontan - mit Gott und seinem Wirken zu verbinden, bleiben Äußerlichkeiten bei der Formulierung meines Gebetes, hilfreich. Bitte probieren Sie aus, welche Haltung Ihnen entspricht.

Abends im Bett bleibe ich bei den alten Texten. Im leise gemurmelten Vaterunser liegt der Dank für den alten Tag und der Bitte für den Tag, der in wenigen Stunden anbricht, ist nichts hinzuzufügen. In Zeiten der Not trägt mich auch Psalm 23 durch machendes finstere Tal. Kurz: Ausprobieren ist gut und wenn man im Gebet in den Schlaf der Nacht versinkt, wacht man am nächsten Morgen betend auf und kann getrost "Amen" sagen. 

Herzlich grüßt Sie, Ihr Henning Kiene

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