Der neue Leib bei Ezechiel?

Susanne
Bibel Ezechiel
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Hallo Frau Heu,

ich forsche und lese sehr gerne in der Bibel. Nun bin ich bei einer solchen "Bibelforschung" auf einen Text im Alten Testament (AT) gestoßen, der, wie schon viele Bibeltexte zuvor, besonderes Interesse in mir geweckt hat.

Es geht um den Bibeltext unter Hesekiel 37,1-14 (Israel, das Totenfeld, wird durch Gottes Odem lebendig) Meine Frage dazu ist diese: Wird mit diesem Text, bereits im AT, die Auferstehung von den Toten und die Entstehung eines neuen Leibes beschrieben?

Später, im Neuen Testament (NT), wird in 1. Korinther 15,1-58 (Von der Auferstehung) sehr ausführlich über das Thema Auferstehung und den neuen Leib geschrieben.

In beiden Texten wird also von der Entstehung von etwas Neuem, einem neuen Leib, berichtet und doch lesen sich beide Texte total unterschiedlich.

Können Sie mir, aus Ihrer Sicht, etwas über diese Texte schreiben? Ist es richtig von mir gedacht, wenn ich diese beiden Texte in Verbindung zueinander bringe und sehe?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen und bedanke mich schon heute für Ihre Mühe.

Herzliche Grüße
Susanne

Liebe Susanne,

vielen Dank für Ihre Frage. Schön, dass Sie so regelmäßig und engagiert die Bibel lesen.

Dabei sind Sie auf zwei Schlüsselstellen gestoßen und mit Ihrer Frage sprechen Sie, wahrscheinlich ganz unbewusst, einen der größten grundsätzlichen Diskussionspunkte in der Beziehung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament an. Es handelt sich um die Frage, inwiefern wir Texte aus dem Alten Testament (AT) auf das Neue Testament (NT) hin deuten können, sie also christologisch verstehen. Aus einer rein jüdischen Perspektive, denn mit den Juden teilen wir ja das AT, ist dies unmöglich. In der christlichen Tradition ist dieses Spannungsfeld jedoch weiterhin ungelöst und streckt sich von „wir können und müssen das AT christologisch verstehen um uns als Christen zu verstehen“ hin zu „das AT kann und darf nicht auf das NT hin gedeutet werden“. So viel möchte ich Ihnen zu Beginn an die Hand geben, damit Sie die Frage noch einmal von einer anderen Seite betrachten können.

Unter dieser Fragestellung führe ich nun gern aus, wie die Sachlage zur bekannten Totenfeldszene aus Ezechiel (Ez 37, 1-14) in Bezug auf die Auferstehung, die wir aus dem NT kennen, aussieht. Die Vorstellung des „neuen Leibes“ ist eine paulinische Erfindung, d.h., dass sowohl der Begriff, als auch die Idee dahinter von Paulus (der 1Kor wird datiert auf ca. 54 n. Chr.) stammen. Davor haben wir keine schriftlichen Belege für eine ähnliche Vorstellung. Außerdem passen die hebräische und die griechische Vokabel, die in den Urtexten verwendet werden, nicht zueinander. Sicher ist Ihnen geläufig, dass sowohl im Hebräischen, als auch im Griechischen, ein Wort nicht nur eine Sache bedeutet, sondern, dass meist ein ganzes Konzept mit diesem einen Wort ausgedrückt werden soll. So ist es auch in diesem Fall. Die Begriffe für den „Leib“ und das „lebendig machen“ bzw. den „Odem“ oder das „Fleisch“ können linguistisch und etymologisch betrachtet nicht miteinander in Verbindung gebracht werden. Damit kann Ihre erste Frage, ob die Totenfeldszene (im Buch des Propheten Ezechiel aus der Zeit des babylonischen Exils, ca. 550 v.Chr.) auf den „neuen Leib“ hin gedeutet werden kann, schon mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden. Der exegetische Befund zeigt, dass das rein chronologisch nicht möglich ist. Ich möchte an dieser Stelle noch anfügen, dass ich sehr sicher bin, dass wenn Paulus ein Zitat aus dem AT gekannt hätte, welches den neuen Leib oder den neuen Körper beschreibt, dass er dieses dann an dieser Stelle zitiert hätte. In 1Kor 15 zitiert er Ezechiel nicht. Das heißt, dass wir nicht davon ausgehen können, dass die beiden Stellen zusammenzudenken sind. Nichtsdestotrotz passiert es oft, dass, ähnlich wie es Ihnen auffällt, die beiden Vorstellungen miteinander assoziiert werden.

Trotzdem ist Ez 37 ein wichtiges Kapitel, wenn es darum geht, dass das Volk Israel im AT eine Auferstehungshoffnung entwickelt. Damit ist nicht gemeint, dass der Messias, der im Judentum bis heute erwartet wird, aufersteht und die Menschen es ihm gleich tun werden. Das wäre erneut ein christliches Bild der Auferstehung. Sondern es ist eine Hoffnung gemeint, dass die Toten auferstehen werden und damit nicht für immer in einem dunkel angenommenen Totenreich verweilen, also die Idee, dass es nach dem Tod in einer gewissen Art und Weise, die wir nicht kennen, weitergeht. Die Vorstellung der Auferstehung findet sich im AT, ebenfalls als Entwicklung dieser Auferstehungshoffnung, außerdem in Dan 12. Lesen Sie auch gern dort noch einmal nach und vergleichen Sie diese Stelle mit Ez 37. Eine Vorstellung eines neuen Leibes oder eines neuen Körpers durch die Auferstehung, wie sie bei Paulus zu finden ist, finden wir im AT aber nicht.

Eine weitere bekannte Auferstehungsbotschaft im AT findet sich bei Jes 26, 19: „Aber deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen. Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Schatten herausgeben.“ Wie Sie sehen, ist aber auch hier nicht die Rede von einem neuen Leib oder einem neuen Körper.

Nun möchte ich abschließend noch den Blick ins NT werfen. Sie haben recht, dass sich beide Texte völlig verschieden lesen. Das hat mit ihrer unterschiedlichen Entstehungszeit zu tun: das AT in der Zeit des Alten Orients bzw. Ezechiel in der Zeit des babylonischen Exils und Paulus viel später zu politischen Zeiten des römischen Reichs und in der Antike. Andere Denkmuster prägten die Menschen. Die Intension der beiden Abschnitte, das kann man wohl ganz allgemein sagen, ist jedoch eine ähnliche. Ezechiel als Prophet widmet sich den Diskussionen und Auseinandersetzungen der deportierten Juden in Babylon, die sich in ihrer Unterordnung Gemeinsamkeiten erarbeiten müssen, die sie als Volk Israels identifizieren. Dazu zählt auch, was wir heute eine „eigene Theologie“ nennen würden. Was nach dem Tod passiert, ist eine genuin menschliche Frage, d.h., dass sich wohl jeder Mensch irgendwann einmal damit auseinandersetzt – somit auch das Volk Israel in Babylon. Ganz ähnlich ist es bei Paulus, der durch die Gründung der Gemeinden ebenso eine eigene Theologie erarbeitet. Seine gegründeten Gemeinden fragen ihn, wie sie sich in Bezug auf bestimmte Fragen positionieren und verhalten sollen. Paulus geht dabei eher präskriptiv vor und schreibt Regeln und Handlungsanweisungen vor, während wohl die Israeliten in Babylon eher untereinander eine jüdische Theologie durch sog. „identity marker“, erarbeitet haben.

Um nun abschließend noch einmal auf Ihre Frage zu kommen, ob es richtig ist, dass sie Ez 37 und 1Kor 15 miteinander in Verbindung bringen, dann antworte ich darauf mit einem klaren Jein. Denn ja, es ist richtig, dass Sie das AT und das NT lesen und versuchen Gemeinsamkeiten zu finden. Nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern vielleicht auch Hinweise über z.B. wortwörtliche Schriftzitate im NT auf das AT oder Verweise direkt in Ihrer Bibel (das sind die kleinen Buchstaben und Zahlen meist am Rand oder in der Fußzeile). Gleichzeitig aber auch nein, denn diese beiden Stellen, die Sie ansprechen, sind, aus chronologischen und linguistischen Gründen nicht miteinander in Bezug zu sehen.  

Ich hoffe ich konnte Ihnen meine Position nachvollziehbar darstellen und wünsche Ihnen alles Gute für Ihre weitere Bibellektüre. Es gibt einiges Spannendes zu entdecken.

Pia Heu

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