Soll man Vater und Mutter hassen?!

Mami
Tochter geht mit Vater und Mutter am Strand entlang
Getty Images/Dean Mitchell

Hallo Frau Klee,

in Lk 14,26 steht:
"Wenn einer kommt zu mir und nicht hasst seinen Vater und seine Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern und auch noch sein eigenes Leben, nicht kann er sein mein Schüler" (Ü: Münchner NT).

Soll ich jetzt etwa meine Familie, mein Kind, meinen Mann und meine Eltern und Geschwister usw hassen? Aber ich liebe diese Personen. Bin ich dann für Gott kein Christ, weil ich diese Personen nicht hasse? Außerdem mag ich auch mein eigenes Leben. Da steht ja im Text das soll man auch hassen.

Ich verstehe das nicht.

Danke für die Antwort.

Liebe Debbi,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich kann mir vorstellen, dass ein solcher Bibelvers abschreckend wirkt, vor allem, wenn man eine eigene Familie hat, die man sehr liebt. Aber ich kann Sie beruhigen: Jesus verlangt hier nicht, alle Verwandten wortwörtlich zu hassen. Sein höchstes Gebot lautet ja, seine Nächsten wie sich selbst zu lieben (Mt 22,39).

Um diese scheinbare Widersprüchlichkeit zu verstehen, lässt sich die Parallelstelle in Mt 10,37 heranziehen, in der Jesus etwas ähnliches sagt wie im genannten Vers. Hier wird statt „nicht hassen“ der Ausdruck „mehr lieben“ verwendet. Wir sollen also uns und unsere Mitmenschen nicht mehr lieben als Jesus, weil er in unserem Leben an erster Stelle stehen möchte. Das wird auch deutlich im nächsten Vers, in dem Jesus seine Nachfolger auffordert, ihr Kreuz auf sich zu nehmen (Mt 10,38). Damals wie heute müssen diejenigen, die mit Jesus leben, mit Entbehrung, Ausgrenzung oder sogar Verfolgung rechnen, wie wir es in vielen Ländern unserer Welt sehen. Das kann auch bedeuten, dass die eigene Familie nicht unbedingt nachvollziehen kann, dass man sich zu Christus bekennt und an ihn glaubt. Trotzdem soll man sich davon nicht beirren lassen und Christus nachfolgen!

Schon die Jüngerinnen und Jünger ließen ihre Familien zurück, um Jesus nachzufolgen und wurden so Teil der neuen Familie Jesu. Christinnen und Christen werden als Kinder Gottes einander zu Geschwistern. Auch Jesu selbst stellte seine Jüngerinnen und Jünger über seine leibliche Familie (Mt 12,46-50). Das bedeutet, dass die geistliche Gemeinschaft - die Gemeinschaft der Heiligen - wichtiger ist als die Beziehung zur eigenen Familie. Das war vor allem eine wichtige Botschaft für die Menschen zu der Zeit, in der die Evangelien entstanden sind. Viele Menschen mussten sich damals entscheiden, ob sie sich taufen lassen wollen - damit aber Konflikte mit ihrer Herkunftsfamilie provozierten. Es kam durchaus vor, dass sie verstoßen wurden aufgrund ihres Glaubens.

Für uns bedeutet das heute, dass unser Glaube höchste Priorität im Leben haben soll, auch, wenn wir Opfer bringen müssen und mit Schwierigkeiten konfrontiert werden. Denn der Friede, den Jesus gibt, ist tiefer als alles, was uns irdische Dinge wie unsere Familie geben können.

Ich wünsche Ihnen Gottes Segen,

Johanna Klee

 

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Liebe Frau Klee, danke für Ihre Antwort :-)
Ich habe noch eine Rückfrage.
Ich liebe meine Familie. Ich würde sogar sagen, sie ist das wichtigste in meinem Leben..ich bin ja jetzt auch nicht in so einer Situation, dass meine Familie meinen Glauben nicht akzeptiert usw . Das Gegenteil ist der Fall. Ich lebe in einer christlichen Familie.

Ich schaffe es also nicht, meine Familie "weniger lieb zu haben". Ich bin Gott dankbar für meine Familie. Bin ich jetzt verloren, weil ich es eben nicht schaffe, meine Familie weniger zu lieben?
In einer Predigt habe ich mal dazu gelesen, dass die, die das nicht schaffen, trotzdem geliebt sind von Gott, weil er die Untreue ihm gegenüber vergibt.
Und Jesus hatte ja auch Nachfolger, die nicht alles stehen und liegen haben lassen. Wie zb Martha und Maria. Die hat er ja auch zu Hause besucht.

Liebe Grüße

Liebe Debbi,

ich denke, aus heutiger Sicht ist es extrem schwer nachzuvollziehen, wie es den Menschen damals erging. Und Sie haben Recht - insbesondere die Anhängerinnen Jesu wie Maria und Martha sind bei sich daheim geblieben und haben Jesus materiell unterstützt, während die Jünger mit ihm durch das Land zogen. Ich denke, es kann viele Arten geben, Jesus nachzufolgen und ihn zu verehren. Zudem halte ich die Liebe zur eigenen Familie für ein hohes Gut. Auch in dieser Liebe kann sich die Liebe Gottes widerspiegeln, er stellt sie unter seinen Segen - z.B. in der Trauung oder beim Familiensegen in der Taufe. Daher sind Sie sicherlich nicht verloren. Wichtig ist, sich immer wieder zu Christus zu bekennen und auf Gottes Gnade zu vertrauen. Keine und keiner von uns wird jemals ein "vollkommener" Christ oder Christin sein. Es gibt immer wieder Situationen, wo wir etwas oder jemand anderes höher priorisieren, als Gott. Aber trotzdem liebt Gott uns, weil er weiß, dass wir seiner Gnade bedürfen und auf ihn angewiesen sind. Wichtiger finde ich es daher, in Entscheidungssituationen und Konfliktsituationen gut abzuwägen und sich an Christus zu orientieren. Er ist der Maßstab für unser Handeln.

Alles Liebe Ihnen und Ihrer Familie,

Johanna Klee

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