Guten Tag,
ich bin gläubige Christin mit Herz und Seele, habe aber anscheinend das in der Psychologie genannte "Renfield Syndrom", also das extrem starke Bedürfnis, menschliches Blut zu trinken. Ich bete jeden Tag darum, dass Gott mir verzeiht, aber ich kann diesen Teil nicht ablegen (und ehrlich gesagt, will ich es auch nicht). Es gibt mehrere Personen aus meinem Umfeld, die mir freiwillig ihr Blut zum trinken geben. Es gibt dabei keine sexuelle Handlung oder ähnliches.
Wird Gott es mir verzeihen? Oder bin ich verdammt? Wenn ich es nicht tue, nimmt der Gedanke daran überhand und ich kann mich auf nichts mehr konzentrieren. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.
Viele Grüße Susi
Liebe Susi,
Danke, dass du dich im Vertrauen an uns wendest! Da dein Anliegen medizinisch und psychologisch sehr speziell ist – insbesondere im Zusammenhang mit dem sogenannten „Renfield-Syndrom“ – möchte ich dich ermutigen, dich an eine erfahrene psychotherapeutisch oder psychiatrisch geschulte Person zu wenden, die dich ernst nimmt und dich professionell begleiten kann. Es ist wichtig, dass du mit jemandem sprichst, der oder die dir helfen kann, deine Bedürfnisse und Gedanken in einem geschützten Rahmen zu verstehen und einzuordnen – ohne Verurteilung, aber mit fachlicher Kompetenz.
Was deinen Glauben betrifft: Ich habe lange darüber nachgedacht, von welcher Seite aus ich dein Verlangen betrachten soll. Blutverzehr von Tieren ist laut Bibel verboten. Als Gott den Menschen nach der Sintflut erlaubt, Fleisch zu essen, heißt es: „Allein das Fleisch mit seinem Leben, seinem Blut, esst nicht!“ (1. Mose 9,4). Noch strenger ist es in 3. Mose 17,10–14 formuliert. Andererseits halten wir Christinnen und Christen uns längst nicht an alle Speisegebote der Bibel. Die Tiere, die wir essen, müssen nicht vollständig ausgeblutet sein.
Dann heißt es auch, dass wir kein menschliches Blut vergießen sollen. Ebenfalls in der Geschichte um Noah steht: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll um des Menschen willen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht.“ (1. Mose 9,6). Im Blut ist das Leben – so ist die Vorstellung in der Bibel. Vielleicht ist das genau der Grund, warum du es gern trinken möchtest. Aber ich will nicht spekulieren. Wie gesagt: Sprich mit jemandem darüber, der oder die sich auskennt. Und du vergießt ja auch nicht wirklich das Blut anderer – sie vergießen es für dich.
Aber die Sache mit dem „Im Blut ist Leben“ hat mich etwas anderes denken lassen: Blut hat auch für uns heute noch sehr direkt mit Leben zu tun. Blutspenden retten Leben. Wenn du es also trinkst, verschwendest du etwas, das anderen Menschen Leben schenken könnte. Indirekt schadest du also anderen damit. Darum meine ich, dass du in der Tat einen Weg suchen solltest, damit aufzuhören. Ich glaube nicht, dass du verdammt bist. Unser Glaube gründet sich auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit. dir helfen lassen, mit deinem Drang umzugehen. Vielleicht kannst Du irgendwann zusammen mit denen, die dir ihr Blut spenden, anderen helfen.
Mit herzlichem Gruß
Frank Muchlinsky