Lieber Helfried,
vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie selbst eine Antwort geben. Denn Sie gehen davon aus, dass die Mahlgemeinschaft, die Jesus gestiftet hat, stark missionierend wirkt. Da haben Sie Recht, in Matthäus 9,9-13 sucht Jesus die Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sünderinnen. Und dann sagt er: "Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder." (Matthäus 9,03) Das ist die Tischgemeinschaft, die Menschen für den Glauben gewonnen hat und bis heute gewinnt. Natürlich ist diese Gemeinschaft gerade dann im Blick, wenn wir uns rund um den Altar zum Abendmahl versammeln. Das Sättigungsmahl mit Sünderinnen und Sündern steht immer im Hintergrund, auch dann, wenn "nur" Brot und Wein von Mensch zu Mensch gereicht werden und Jesu Gegenwart "in mit und unter" den Gaben des Mahles gefeiert wird. Dass Jesus die Nähe der Menschen suchte wird in der Mahlgemeinschaft zum Erlebnis.
Im 8. Jahrhundert wurden die Oblaten, an denen Sie sich stören, eingeführt. Die Menschen fanden den Gedanke, dass Brot krümelt und Fugen verschwinden und von Mäusen gefressen werden könnte, extrem beunruhigend. Hostien stellten sicher, dass keine Gabe vom Altar zum Boden krümelt und irgendwo übrigbleibt. So würdigten sie die Gemeinschaft mit Jesus und das Sättigungsmahl trat in den Hintergrund.
In jeder Abendmahlsfeier ist zusätzlich die Erinnerung an den Gründonnerstag wach. Und mit dem Gründonnerstag ist auch das Passahmahl im Blick. Zum Passamahl wurden das ungesäuerte Brot gebacken. Das ungesäuerte Brot erinnert an den Aufbruch aus Ägypten. In der Eile des Aufbruchs konnte kein Sauerteig angesetzt werden. Ungesäuertes Brot gehört also ursprünglich zum Gründonnerstag. Hostien nehmen die Erinnerung an die ungesäuerten Brote auf und binden die christliche Tradition tief in die biblische Überlieferung ein. Die Hostien sind also praktisch, weil sie nicht krümeln und sie sind biblisch, weil sie ungesäuert gebacken werden. Für die erste Generation der jungen Christenheit gehörte dieses ungesäuerte Brot natürlich zum Abendmahl und der Übergang zu den Hostien, die wir heute einsetzen, wird ohne große Diskussion erfolgt sein. Im englischsprachigen Bereich und in anderen Kirchen des Protestantismus haben sie die Hostien nicht durchgesetzt, es gibt Brot zum Abendmahl.
Was Sie an unseren gegenwärtigen Abendmahlsfeiern stört, weiß ich nicht. Was "nichts wird", wie Sie schreiben, weiß ich nicht. Vielleicht sind Sie mit der steifen, formalen Stimmung in Ihrer Kirche nicht einverstanden. Sprechen Sie das doch mal Ihre Pastorinnen oder Ihren Pastoren an. Vor fünfzig Jahren entwickelte sich in der evangelischen Kirche eine neue Abendmahlsfrömmigkeit. Damals wurde das "Feierabendmahl" entwickelt, das ist die Feier des Heiligen Abendmahls im Rahmen eines festlich organisierten Sättigungsmahles. Vielleicht möchten Sie Ihre Kirchengemeinde zu so einem Mahl anregen? Vielleicht suchen Sie die ganz andere Idee, ohne viele Gebete und Ansprachen und möchten eine Vesperkirche ins Leben rufen? Es gibt viele Modelle in denen das alte Sättigungsmahl weiterlebt und viele Menschen für den Glauben interessiert.
Reden Sie mit den Verantwortlichen und starten mit neuen Ideen durch.
Herzlich, Ihr Henning Kiene