Warum erscheint die Jungfrau Maria nicht uns evangelischen Christinnen und Christen?

Danka
Marienstatue in Kirche
©Getty Images/iStockphoto/Jessica K Walters

Hallo Frau Scholl,

ich frage mich immer wieder, warum nur den Katholiken die Mutter Gottes erscheint und Botschaften verkündet. Wie zum Beispiel in Medjugorje, Fatima oder Lourdes. Es wird immer nur bei den Katholiken davon gesprochen, dass die Mutter Gottes erschienen ist und Botschaften verbreitet. Was mich wundert ist, dass sie dabei zum Teil sehr fordernd ist. Ist so was möglich? Sind diese Erscheinungen überhaupt echt und kann man sie ernst nehmen? Die katholische Kirche hat ja einige als echt anerkannt. Aber woher will sie das wissen?
Sind wir Protestanten nicht in der Lage solche Botschaften zu empfangen? Was mich wundert ist, dass immer nur die Mutter Gottes erscheint und das Wort Gottes verbreitet. Wieso zeigt sich Gott nicht selbst oder sein Sohn Jesus?

Lieben Gruß,
Danke

Liebe Danka,

 

 

herzlichen Dank für Deine Frage, in der ja eine ganze Menge Fragen stecken. Wir in der evangelischen Kirche kennen kirchlich legitimierte Marienerscheinungen nicht, da hast Du ganz recht. Insgesamt ist bei uns die Marienfrömmigkeit deutlich weniger ausgeprägt als bei unseren katholischen Geschwistern. Das hat auch etwas damit zu tun, dass uns die Vorstellung von Maria als einer Mittlerin zwischen Gott und den Menschen fern liegt und daher liegt es Protestantinnen und Protestanten auch nicht nahe zu Maria zu beten. Ich selber mag aber z. B. ein paar der katholischen Marienlieder ganz gern, weil sie mich auf der Ebene meiner Gefühle erreichen, eine Qualität, die bei uns in der evangelischen Kirche vielleicht hier und da etwas verschüttet ist und neu entdeckt werden muss.

 

Immer wieder wird von Marienerscheinungen berichtet, von denen einige wenige kirchlich anerkannt sind, wie etwa die in Lourdes. Wenn Jemand von einer Marienerscheinung berichtet und damit Aufsehen erregt, vielleicht auch Pilgerreisen an den entsprechenden Ort unternommen werden, werden die entsprechenden Berichte der Erscheinungen von der katholischen Kirche in einem langen und komplizierten Verfahren geprüft. Am Schluss entscheidet eine Kommission, ob die Erscheinung anerkannt oder abgelehnt sei oder ob man zu keiner klaren Entscheidung kommen könne.

 

Bei dieser Entscheidung spielen etwa der Gesundheitszustand der Person eine Rolle, die von der Erscheinung berichtet und, ob die Inhalte der Erscheinung massiv gegen kirchliche Lehre verstoßen. Es stellt sich die Frage, ob zu erwarten ist, dass ein Pilgerwesen an diesen Ort irgendwie zu Verwerfungen in der Kirche führen oder sonst irgendwie schädlich sein könnte. Letztlich ist auch eine anerkannte Marienerscheinung nicht Teil kirchlicher Lehre. Es besteht also gewissermaßen kein Zwang dazu auch an die entsprechende Erscheinung zu glauben, wenn man katholisch ist.

 

Wie schon gesagt, als Protestantin fällt es mir schwer solchen Verfahren etwas abzugewinnen. Vor vielen Jahren fand ich mich trotzdem mal inmitten einer Marienerscheinung wieder und erhaschte plötzlich eine Ahnung davon, was Menschen vielleicht erleben, die damit in Berührung kommen. Ich verdanke diese Offenbarung dem wunderbaren Roman „Das Lied von Bernadette“ von Franz Werfel. Der Schriftsteller Werfel war jüdisch und emigrierte während des Nationalsozialismus. Zuflucht fand er u. A. in Lourdes. Dort hörte er zum ersten Mal Näheres über die dortigen Marienerscheinungen. Er gelobte, falls er überleben würde, diese Geschichten in einen Roman zu gießen. 1941 erschien sein Buch.

 

Es erzählt von Bernadette, einem Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen mit heftigem Asthma, der plötzlich eine Dame erscheint. Von kirchlicher Lehre weiß Bernadette nicht viel, aber sie spürt, dass der Ort sie seitdem anzieht und dass sie ein unstillbares Verlangen hat, die „weiße Dame“ wiederzusehen.  In der Folge gibt es dann all die Verwerfungen darüber ob das, was Bernadette da erlebt hat wahr ist oder erfunden. Für all das interessiert sich Bernadette eigentlich nicht. Sie interessiert sich für die Dame, die ihr ganzes Leben verändert hat.

 

Mich hat das Buch vor allem deshalb so sehr berührt, weil Werfel die Frage nach wahr oder falsch in seinem Roman bei den Beschreibungen der Erscheinungen gar nicht aufwirft. Bei diesen Erzählungen geht es nur um das Mädchen, die sich derart auserwählt fühlt, die von etwas angezogen und verändert wird. Vielleicht ist es das, was mich doch ein wenig für Marienerscheinungen begeistert: dass es da eine Tiefe und Intensität von Erfahrungen gibt, die sich letztlich keiner kirchlichen Entscheidungsinstanz beugen und bei der manchmal schon die Frage nach wahr oder falsch nicht am richtigen Ort ist, weil zählt, auf welche Weise uns dieses Erleben verändert.

 

Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig behilflich sein bei Deinen Fragen rund um die Marienerscheinungen. Wenn Du Dich noch weiter damit beschäftigen magst, lies doch vielleicht mal das Buch von Franz Werfel.

 

Herzlich

 

Katharina

Fragen zum Thema

Liebe Frau Toch, tatsächlich lautet das 3. Gebot so, dass man den siebten Tag der Woche…
Lieber Herr Kullen,   Ihre Frage ist relativ leicht zu beantworten: Die Bibel…
Lieber Grübler, Sie haben recht: Nach unserem Glaubensverständnis können wir noch so…