Wieso überzeugt mich keine Antwort auf die Frage, warum Gott das Leid zulässt?

Gundel Krumpholz
Frau reckt wütend Faust gen Himmel
©Getty Images/tolgart

Liebe Frau Scholl,
die Konfirmation hat mich zu einem bewussten Glauben geführt, jetzt bin ich knapp 50. Allerdings sind leider oft die Zweifel größer als der Glaube, wegen der Frage: warum lässt Gott das Leid zu? Die Zweifel lähmen mich immer wieder im Gebet und in meiner Lebensfreude und Lebensenergie. Also verdränge ich das Thema irgendwie.
Antworten habe ich schon in vielen Büchern über die Theodizee gesucht, aber irgendwie schaltet für mich alles manchmal den Verstand aus bzw. es bleibt unbefriedigend:
*Ja, Jesus, also Gott, ging selbst ins Höchste Leid, das sollte tatsächlich „alles wett machen“!!! Und er ist immer bei uns- ja, manchmal finde ich Frieden im Gebet , Dank dafür! (Und ich bin selber nicht von großem Leid betroffen, nein, wir haben ein gesichertes Leben und eine gesunde Familie!! Ich bin mir der möglichen Vergänglichkeit all dessen bewusst, also danken und genießen und teilen- wenn‘s so einfach wäre...)
*wir haben das Paradies verloren, haben einen freien Willen und somit die Wahl auch zum Bösen. Menschlich verursachtes Leid, auch trotz all der schrecklichsten Dinge, damit kann ich noch am ehesten umgehen.
*aber Naturkatastrophen und Krankheiten?? Damit wir unterscheiden können ... und etwas dagegen tun... Ja, das tat ich als junge Frau, aber seit Jahren mit drei Kindern ist das eher begrenzt und macht mir trotzdem eher ein schlechtes Gewissen.
* schließlich der Widerspruch: Gott ist allmächtig- greift er ein?? Steuert er??? Manchmal? Manchmal nicht?? Dann wäre das tatsächlich eher sadistisch ?!?, wie auch im Podcast der beiden Theologen in Folge 1 kürzlich bei „ evangelisch“ zu hören?
* Gott liebt jeden einzelnen Menschen? Was ist mit all den Einzelschicksalen? Ich kann es leider fast nicht glauben!
*Beten um etwas - ja beten, um mit Gott in Beziehung zu sein!! Und Gebetserhörung mag vielfältig sein. Aber das konkrete Beten um/für Jemand ist für mich leider bereits widersprüchlich: warum sollte Gott diesen oder jenen Menschen nun gerade behüten und der nächste stirbt bei was auch immer beispielsweise in jungen Jahren?? Von Krieg und Hunger ganz zu schweigen.
*darf ich all diese Fragen überhaupt stellen...? Ja, siehe Hiob! Oder lieber „einfach“ auf das Vergehen dieser Erde und die neue Welt ohne Tränen hoffen und auf Gottes für uns vielleicht unverständlichen Plan des Gesamtlaufs? Ja, das bleibt dann übrig.
Aber schwerwiegender für mich leider oft die „tausend“ ungeklärten Fragen, oder Zweifel mit entsprechend negativen Auswirkungen . Leider kann ich das alles auch nicht mit dem Wissen ausschalten, dass mir all die negativen Gedanken auch gar nichts außer Schlechtem bringen!

Ich danke Ihnen für Ihr Angebot für Fragen in diesem Forum und für Ihre und Ihrer KollegInnen Arbeit!!
Ich verstehe, wenn Sie in meinem Wust an Fragen wahrscheinlich „nur“ auf Teilaspekte eingehen können.

Viele Grüße und vielen Dank!
Gundel Krumpholz

Liebe Frau Krumpholz, 

vielen Dank für Ihre Frage und die vielen Überlegungen, die darin stecken und auch dafür, dass Sie in Ihren Zeilen Ihr Ringen mit mir teilen. Sie schreiben, dass Ihnen ein bewusster Glaube besonders wichtig ist, also einer, der nicht alles einfach so hinnimmt, sondern Fragen formuliert und nach Antworten sucht. Bei der Frage danach, wie Gott und das Leid in der Welt zusammen zu denken sind, kommen Sie an Grenzen. 

Ich könnte Ihnen jetzt allerlei Positionen referieren, Ihnen von Epikur erzählen, von Leibnitz, Hans Jonas und vielen mehr, die sich dieser Frage gewidmet haben. Aber: all das wird Sie nicht befriedigen. Außerdem wissen Sie ganz vieles davon schon oder es taucht in etwas anderen Worten in ihren eigenen Antwortversuchen auf, welche Sie nicht überzeugen können. 

Für mich ist es sehr relevant, dass wir im Nachdenken nicht vor dieser Frage kapitulieren, sondern uns auch rational versuchen ihr zu nähern, eben so, wie Sie das in Ihren Überlegungen tun. Allerdings merken wir, dass keine rationale Zugangsweise diese Frage letztlich aufzulösen vermag. 

Mich interessiert im Hinblick auf Ihre Zeilen vor allem die ganze Emotion, die ich dahinter vermute. Vorhin ging es mir beim Lesen so, dass ich das Gefühl hatte, die vielen Gefühle, die da beim Schreiben mitgeschwungen sind, richtig spüren konnte. Ich finde, diese ganzen Gefühle sind etwas sehr wertvolles. An ihnen zeigt sich, dass Sie sich bewegen lassen vom Leiden anderer Menschen. 

Stellen wir uns einmal einen Moment lang vor, ich hätte die ultimative Antwort für Sie, die Ihnen hinreichend erklären würde, warum es Leid in der Welt gibt und von diesem Moment an wäre es einfach selbstverständlich, dass ein Kind Hunger leidet oder eine Familie durch eine Flut ihr Haus verliert. 

Es geht mir jetzt nicht darum, zu behaupten, dass Gott das Leiden zulässt, damit wir fähig werden Mitgefühl zu empfinden. Das wäre ein ziemlich berechnender Gott mit merkwürdigen Erziehungsstilen. Es geht mir eher darum, wahrzunehmen, dass diese Emotionen rund um Ihre Frage, also Wut, Verzweiflung, Traurigkeit..., uns ja auch in eine ganz besondere Beziehung zu unseren Mitmenschen und immer wieder auch zu Gott setzen. Das scheint mir ja gerade das Starke daran, dass Hiob mit Gott hadert. Auch der Streit und die Auseinandersetzung können eine ziemliche Nähe erzeugen. 

Sie schreiben, dass Ihnen das Hadern mit Ihrer Frage oft die Lebensenergie raube. Für mich als Leserin Ihrer Zeilen steckt da sehr sehr viel Energie drin, in diesem Hadern, in diesem Eifer. Es ist schön, dass Sie mich damit nicht in Ruhe gelassen haben und ich möchte Sie ermutigen, auch Gott damit nicht in Ruhe zu lassen. Die Klagepsalmen sind z. B. berührende Texte, in denen gerade das geschieht, dass Menschen ihre Ohnmacht, Verzweiflung und Wut vor Gott bringen. 

Vielleicht geht es ja im Fall dieser Frage gar nicht in erster Linie um die Vernunft und das Denken, sondern vor allem um die Ebene des Gefühls. Eine befriedigende Antwort auf Ihre Frage, kann das natürlich nicht sein. Aber wahrscheinlich waren Sie schon darauf eingestellt, dass eine solche wohl auch nicht möglich ist. Trotzdem bin ich sehr dankbar, dass Sie mich ein wenig mitgenommen haben in Ihren "Wust" an Fragen und all die Emotionen. 

Ich wünsche Ihnen Gottes Segen und dass dieses Interesse für grundlegende Fragen nach Gott und der Welt nicht versiegen möge... 

Herzlich

Katharina Scholl

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