In unserer Kirche wurde ein Protestlied eingeführt, das nun regelmässig den Gottesdienst eröffnet. Gesungen von Kinder und Jugendlichen als auch von Erwachsenen.
Text:
Wir wollen aufstehn, aufeinander zugehn
Voneinander lernen miteinander umzugehn
Aufstehn, aufeinander zugehn
Und uns nicht entfernen, wenn wir etwas nicht verstehn
Viel zu lang schon rumgelegen
Viel zu viel schon diskutiert
Es wird Zeit sich zu bewegen
Höchste Zeit, dass was passiert
Wir wollen aufstehn, aufeinander zugehn
Voneinander lernen miteinander umzugehn
Aufstehn, aufeinander zugehn
und uns nicht entfernen, wenn wir etwas nicht verstehn
Jeder hat was einzubringen,
diese Vielfalt – Wunderbar
Neue Lieder wollen wir singen
neue Texte lang und klar
Wir wollen aufstehn, aufeinander zugehn
Voneinander lernen miteinander umzugehn
Aufstehn, aufeinander zugehn
und uns nicht entfernen, wenn wir etwas nicht verstehn
Dass aus Fremden Nachbarn werden,
dass geschieht nicht von allein
Dass aus Nachbarn Freunde werden,
dafür setzen wir uns ein
Aufstehn, aufeinander zugehn
Voneinander lernen miteinander umzugehn
Aufstehn, aufeinander zugehn
und uns nicht entfernen, wenn wir etwas nicht verstehn......usw
verschönert mit schabda schdadubidudidu......
(Schuhmacher/Bittlingmeier)
Protestlieder werden logischerweise gesungen, um verbreitet zu werden. Dabei ist der Protest selber lediglich das bloße Fahrzeug der Vermarktung. Der Protest richtet sich immer gegen eine Autorität.
Nachdem es sich hierbei nicht um das gesungene Wort Gottes handelt sondern um eine gesungene Aufforderung "etwas zu tun" des Liedtexters, ist nun meine Frage ob derartige Protestsongs als "sozialer Kitt" innerhalb der Kirchen und den evangelischen Gottesdienste herhalten sollen?
Nichtzugehörige einer bestimmten Gruppe werden als "Fremde" bezeichnet. Fremde bedeuten das Fehlen von Klarheit, man kann nicht sicher sein, was sie tun werden, wie sie auf die eigenen Handlungen reagieren würden. Man kann nicht sagen, ob sie Freunde oder Feinde sind. Bei zu viel Gutgläubigkeit wird man meistens enttäuscht. Eine gewisse Skepsis und Distanz zum Fremden sind meiner Meinung nach ein gesunder Schutzmechanismus. Warum also genau das Gegenteil tun? Der übliche Friedensgruß reicht doch völlig aus.
Lieber Gast 1,
das Lied "Aufstehn, aufeinander zugehen" ist in der evangelischen Kirche mittlerweile weit verbreitet. Es gehört zu den sogenannten Neuen Geistlichen Liedern. Dass es eine klare Aussage vertritt, ist deutlich. Allerdings sind auch ältere Kirchenlieder immer nur Interpretationen des Evangeliums und können nicht als das Wort Gottes direkt bezeichnet werden.
Im Gesangbuch finden sich sogar ganze Epochen der Kirchengeschichte wieder, immer mit ihrer eigenen Sprache und ihrer eigenen Theologie. Nehmen Sie z.B. einmal Martin Luther (Ein feste Burg ist unser Gott u.a., übrigens meiner Meinung nach ein Protestlied erster Güte) aus der Reformationszeit, Paul Gerhardt (Befiehl du deine Wege u.a.) aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges oder Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (Jesu geh voran u.a.) aus der Zeit des Pietismus. Die Liste ließe sich fortführen. Nützliche Informationen zu den Lieddichtern und Musikern findet sich hinten im evangelischen Gesangbuch unter "Liederkunde".
In meinen Augen spiegelt sich auch in dem Lied "Aufstehn, aufeinander zugehen" die heutige Zeit und die heutige Theologie. "dass aus Nachbarn Freunde werden", ist ein Satz, der u.a. die Integrationthematik in unserer Gesellschaft anspricht. Vor Augen habe ich dann immer Jesus, der bewusst zu ausgegrenzten Menschen gegangen ist uns sich ihrer angenommen hat.
Die moderne Theologie vertritt die Ansicht, dass das Wort Gottes immer durch Menschen "gefiltert" wird. Das gilt für die Evangelien, für Predigten genauso wie für Lieder.
Was Protestlieder angeht, gab es sie, denke ich zu allen Zeiten und an allen Orten. Besonders in der evangelischen Kirche finden Sie viele, nicht umsonst bezeichnet man die evangelische Kirche auch als protestantischen Kirche.
Ich hoffe meine Antwort konnte Ihnen helfen, das Lied ein Stückchen weiter einzuordnen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Irmela Büttner