Kontemplation und Kampf innerhalb der Schule?
In unserer Gegend wird eine neue Schuldekanin eingesetzt, die jetzt noch Gemeindepfarrerin ist. Der mystische Weg dieser ev. Kirchengemeinde lautet: "Kontemplation und Kampf". Das sind die beiden Richtungen, die das Reden und Tun in dieser Gemeinde prägen sollen.
Auch die Evangelischen Kirchen in Deutschland sind von diesem Weg "Kontemplation und Kampf" überzeugt und haben ein "ökumenisches" Bündnis mit den Taizé Brüdern geschlossen.
Das ist für mich irritierend, zumal Kontemplation eine "vollkommene Leere" des Geistes anstrebt, indem man sich in Ruhe und Aufmerksamkeit auf einen einzigen Gedanken konzentriert mit dem Ziel eine "Bewusstseinserweiterung" zu erleben, wie es nach der Einnahme von Drogen ebenfalls geschieht. Dann, wenn der Geist vollkommen leer ist, treten seltsame Phänomene auf, wie "außerkörperliche Erfahrungen" und weitere Schreckensszenarien. Man kann sein eigenes Tun und Verhalten selber betrachten, weil man genau neben sich selber steht, und sich selber beobachten kann.
Die EKD hat einen Text veröffentlicht, woraus ich einen Satz zitieren möchte: "...aber es wird einen solchen Kampf um den Frieden geben, dass kein Stein auf dem anderen bleibt.”
Meine Frage lautet folgendermaßen
Was erwarten unsere Schüler und Schülerinnen im evangelischen Religionsunterricht? "Kontemplation und Kampf"?
Außerdem würde mich interessieren wie es zu einem "ökumenischen Bündnis" mit den Brüdern von Taizé kommen kann, obwohl es keinerlei Gemeinsamkeiten im Glauben gibt. Eine Aufklärung ist mir sehr wichtig, weil ich drei Kinder habe, die derzeit noch den ev. Religionsunterricht besuchen bzw. den Konfi-Unterricht.
Lieber Gast,
ich denke, Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass Ihre Kinder im Religions- bzw. Im Konfirmationsunterricht künftig mit Praktiken konfrontiert werden, deren Wirkung einem Drogenrausch ähnelt. Lassen Sie mich ein paar Dinge erläutern, die Ihnen vielleicht die Angst nehmen können:
Zunächst zu dem Satz, den Sie zitieren, stammt aus einer kleinen Geschichte, die Hermann van Veen, einem holländischen Liedermacher und Künstler, zugeschrieben wird. Hier ist sie:
Quote:
Ein Jude kam zu seinem Rabbi und fragte: “Rabbi, Sie sind ein sehr weiser Mann, sagen Sie mir, wird es einen Krieg geben?” “Es wird keinen Krieg geben”, antwortete der Rabbi, “aber es wird einen solchen Kampf um den Frieden geben, dass kein Stein auf dem anderen bleibt.”
Diese Geschichte wird auf der EKD-Seite zitiert, in der es um den Kampf als Teil der christlichen Spiritualität geht. Im darauffolgenden Absatz heißt es aber gleich: „In der ökumenischen Bruderschaft von Taizé, einem kleinen Dorf auf den Hügeln von Burgund, sieht man das ganz anders.“ (hier der Link zu dem Beitrag: http://www.ekd.de/glauben/spiritualitaet/kampf.html)
Das Begriffspaar von Kontemplation und Kampf ist allerdings tatsächlich eine Maxime der Bruderschaft in Taizé. Was ist damit nun gemeint? Auch das wird auf der eben zitierten Seite erläutert:
Quote: Kampf und Kontemplation, beschauliches Nachdenken über und geistiges sich Versenken in Gottes Wort und Werk. Die Formel führt zwei wichtige Seiten der Religion zusammen: Aufbruch, Umkehr, Lebendigkeit, Begeisterung auf der einen Seite, Orientierung, Trost, Gewissheit auf der anderen.In Taizé weiß man, dass den Kampf nicht scheuen darf, wer sich für den Frieden einsetzt. Keine Verknüpfung mit Vorstellungen von Krieg, Zerstörung und Grausamkeit, was mit spirituellem Leben nicht zu vereinbaren wäre. Sondern die Einsicht, dass der, der Frieden schaffen will, sich gegen Resignation und Hoffnungslosigkeit engagieren muss. Und gegen alle, die sagen, man könne doch nichts tun. Es ist ein Kampf auch gegen sich selbst, gegen Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit.
Sie sehen: Kontemplation ist keine Übung, die darauf hinauslaufen soll, sich wie in einem Rausch zu fühlen. Stattdessen soll sie dazu führen, sich in dem eigenen Tun immer wieder auf Gott zu besinnen. Der Kampf ist ebenso keiner, den Sie fürchten müssten. Er ist Ausdruck dafür, dass Christinnen und Christen nicht nachlassen sollen, sich zu engagieren. Mir persönlich gefällt in diesem Zusammenhang besonders gut, dass als die „Urszene“ dieses Kampfes der Kampf Jakobs am Jabbok genannt wird. Jakob ringt mit einem Mann, einem Engel, mit Gott selbst (?), wird dabei an der Hüfte verletzt. Er siegt nicht, erobert nicht und wird auch nicht belohnt. Aber er flieht auch nicht, sondern bewährt sich hält stand: “Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.” (EKD. Spiritualität, Kampf). Solch ein Kampf ist gemeint.
Nun noch zu der Brüderschaft in Taizé selbst. Sie schreiben von einem „ökumenischen Bündnis“ zwischen EKD und der Bruderschaft. Davon ist mir nichts bekannt; es spielt aber meines Erachtens auch keine große Rolle, denn die Bruderschaft von Taizé ist bereits eine ökumenische. Konfessionelle Schranken spielen dort keine Rolle.
Warum Sie der Ansicht sind, dass es „keinerlei Gemeinsamkeiten im Glauben“ zwischen Evangelischer Kirche und Taizé gibt, kann ich nicht verstehen. Christen und Christinnen kommen dort zusammen. In einem ökumenischen Projekt wie diesem geht es darum, die Gemeinsamkeiten zu feiern, dabei die Unterschiede nicht zu verschweigen und sie als Vielfalt zu begreifen. Aber nicht diese Unterschiede sind es, die den Kampf auslösen, sondern die Ungerechtigkeit der Welt, Krieg und die eigene Trägheit.
Darum noch einmal: Wenn Ihre Kinder in diesem Sinne im Religions- bzw. Konfirmationsunterricht unterrichtet werden, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Im Gegenteil. Es kann ihnen gut tun.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Muchlinsky