Guten Tag
ich bin Katholik überlege aber derzeit der evangelischen Kirche beizutreten. Meine Hauptgründe sind in erster Linie die "Politik" der katholischen Kirche, wie sie zum Beispiel mit Fragen des Kindesmissbrauchs, des Zölibats, der Rechte von Frauen, der Rolle der Familie und anderer Themen umgeht.
Nun mache ich mir diesen Schritt nicht leicht. Ich möchte Mitglied einer christlichen Kirche sein, aber bin mir nicht sicher, ob die oben genannten politischen Gründe ausreichen die katholische Kirche zu verlassen. Andererseits hat Luther ja auch aus "politischen" Gründen die Reformation ausgelöst, oder?
Ihre Meinung ist mir wichtig
Danke
Jürgen
Lieber Jürgen,
ich halte Ihr Zögern beim Übertritt für eine gute Sache. Wer in der einen Konfession aufgewachsen ist, sollte gute Gründe haben, diese „Heimat“ zu verlassen. Die Frage, die Sie sich stellen sollten, lautet daher meines Erachtens: Fühlen Sie sich nicht mehr zu Hause in Ihrer Kirche? Wenn das wirklich so ist, sollten Sie sich die zweite Frage stellen: Würden Sie sich in der neuen Heimat, der evangelischen Kirche, eher zu Hause fühlen können?
Wie Sie sehen, lege ich Ihnen nahe, sich die Antwort auf Ihre Frage selbst zu geben. Das ist ein typisch protestantischer Ansatz: Befrage dein Gewissen! Anders gesagt: Als Protestant habe ich selbstredend auch meine Probleme mit der Kirchenpolitik Roms. Und freilich halte ich persönlich Ihre Gründe für hinreichend. Andererseits weiß ich auch um vieles Andere, was die katholische von den evangelischen Kirchen unterscheidet – seien es Rituale, Glaubensvorstellungen oder kirchliche Strukturen. Wenn Sie ernsthaft erwägen, die katholische Kirche zu verlassen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie in dieser Hinsicht hinter sich lassen – und was Sie erwartet.
Es kommt also letztlich darauf an, ob Sie selbst Ihre Gründe für hinreichend erachten, einen solchen Schritt zu tun und ob Sie sich eine neue Heimat erhoffen können. In dem Fall: Herzlich Willkommen! Wenn Sie meinen, dass die „Politik“ Roms ärgerlich ist, aber letztlich die katholische Kirche Ihre Heimat, dann wünsche ich Ihnen einen „reformatorischen Geist“, der innerhalb Ihrer Kirche auf die Missstände hinweist, ohne sie zu verlassen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein wenig weiterhelfen!
Mit freundlichen Grüßen
Frank Muchlinsky