Jesus Christus - Richter oder Retter?

Gast
Jesus
©Getty Images/iStockphoto/serts
Mosaic image details of Jesus Christ from Hagia Sophia (Ayasofya) in Istanbul Turkey

Er richtet die Welt - Er rettet die Welt

Jesu Worte:
Joh 12,47 Wer meine Worte nur hört und sie nicht befolgt, den richte nicht ich; denn ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten.
12:48 Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht auf, der hat schon seinen Richter; das Wort, welches ich geredet habe, das wird ihn richten am Jüngsten Tage.

Ja was nun? Richter oder Retter?

Lieber Gast,

die beiden Jesus-Worte aus dem Johannes-Evangelium spiegeln zwei unterschiedliche Vorstellungen wider, wie man sich das Gericht Gottes vorstellen kann. Der Evangelist Johannes hat hier eine sehr eigene Vorstellung (im Vergleich zu den anderen drei Evangelien). Seiner Theologie nach braucht es nämlich kein Gericht Gottes am Ende der Zeiten mehr. Das ist eine weit verbreitete Vorstellung schon zu Beginn des Christentums gewesen: dass Gott dann, wenn der auferstandene und zum Himmel gefahrene Christus wiederkommt, Gericht halten wird. Johannes sieht das so: Jesus ist bereits als der Sohn Gottes in die Welt gekommen mit der Aufgabe, Gericht zu halten. In Joh 9,39 heißt es: „Und Jesus sprach: Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, damit, die nicht sehen, sehend werden, und die sehen, blind werden.“

Wer also, laut Johannes, sieht und glaubt, dass durch Jesus das Heil von Gott gekommen ist, der ist bereits jetzt gerettet, weil er das ewige Leben hat. Das meint Johannes mit Rettung. Das ist ein Gedanke, der den anderen Traditionen, die eben darauf warten, dass sich diese Frage am Ende der Zeit entscheidet, widerspricht. Darum hat das Johannesevangelium viele spätere Zusätze bekommen, die den anderen Aspekt – das Gericht Gottes am Ende der Zeiten – wieder mit hinein nehmen. So kommt es zu dem Zusatz mit dem „Jüngsten Tag“ in Joh 12,48, das Sie zitieren.

Nun aber zu dem Widerspruch, den Sie aufzeigen. Für Johannes ist der „erhöhte“ Jesus Christus (also der, der zurück zu seinem Vater gegangen ist, von dem er auch bereits kam) der Retter des gesamten Universums. Weil er in die Welt gekommen ist, wird sie gerettet. Er ist also der Retter, nicht der Richter. Da er aber der Maßstab ist, an dem sich das (ewige) Leben entscheidet, ist das Verhältnis jedes Menschen ihm gegenüber (also, entweder Ablehnung oder Annahme) auch bereits eine Entscheidung „wie im Gericht“. Wie gesagt, diese Vorstellung lebte auch zu Zeiten des Evangelisten Johannes, dass am Jüngsten Tag das Gottesgericht kommt. Für Johannes spielt dies aber keine Rolle. Für ihn ist nicht Gott der Richter, sondern der Sohn (also Jesus) selbst.

Zusammengefasst: Jesus ist für den Evangelisten Johannes der Retter der gesamten Kosmos und eines jeden, der an ihn glaubt. Wer das nicht tut, dem wird diese Ablehnung zum Gericht. Insofern ist er auch der Richter – nur eben nicht der Richter, der – wie es sich noch frühere Christen bereits vor Johannes vorgestellt haben – erst am Jüngsten Tag erscheinen wird.

Mit herzlichem Gruß
Frank Muchlinsky

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