Warum dürfen Frauen in der evangelischen Kirche predigen?

volker Brotz
Pfarrerin predigt in Kirche
epd-bild/Jens Schulze

Die evangelische Kirche „weicht“ Gottes Wort auf....Frauen dürfen dort predigen.....Warum handeln Sie dagegen?

1 Kor 14,33b-36:33b Wie in allen Gemeinden der Heiligen 34 sollen die Frauen in den Gemeindeversammlungen schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. 35 Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie zu Hause ihre Männer befragen. Schändlich ist es nämlich für [die] Frau, in [der] Gemeindeversammlung zu reden. 36 Oder ist von euch das Wort (des) Gottes gekommen? Oder ist es zu euch allein gelangt?

Lieber Herr Brotz,

einzelne Bibelstellen sind kein Argument für oder gegen eine bestimmte kirchliche Haltung oder Praxis. So darf man mit der Bibel nicht umgehen, wenn man sie ernst nehmen möchte. Die Bibel in ihrer Gesamtheit ist gültige Zeugnis des Wortes Gottes. Wer sie verstehen will, muss sie in dieser Gesamtheit wahrnehmen und interpretieren. Das bedeutet auch, dass bestimmte Sätze und Vorschriften weniger wichtig werden als andere, wenn man schaut, worum es der Bibel insgesamt geht.

Wer einzelne Stellen der Bibel zu unumstößlichen Aussagen erklärt, macht aus der Bibel einen Götzen, denn die Bibel, die doch von Menschen geschrieben wurde, steht dann über dem Wort Gottes, das Jesus Christus selbst ist. Selbst wenn man meint, der Heilige Geist habe den Autorinnen und Autoren der Bibel ihre Texte eingegeben, muss man sich folgendes klarmachen: Paulus, wie alle anderen, die die Schriften des neuen Testamentes verfasst haben, schrieben ihre Texte als Kommentare zum Alten Testament. Sie interpretierten also die Heilige Schrift, die ihnen vorlag. Warum sollte also eine Interpretation der Heiligen Schrift, wie sie uns vorliegt, nicht auch vom Heiligen Geist geleitet sein?

Darum: Der von Ihnen zitierte Satz des Paulus steht im Widerspruch zur Tatsache, dass die ersten Menschen, die die Auferstehung Christi verkündeten, Frauen waren. Der Auferstandene zeigte sich ihnen zuerst und gab Ihnen den Auftrag, es den Jüngern zu erzählen. Wenn man ihnen das Recht zur Verkündigung später verweigerte, liegt es an der patriarchalen Gesellschaft, in der zum Beispiel Paulus lebte. Es bedeutet also, dass Paulus hier etwas Wichtiges nicht berücksichtigt hat. Man könnte ihm zugutehalten, dass die Evangelien noch nicht geschrieben waren. Vielleicht wusste Paulus nichts von den Frauen am leeren Grab.

Darum tut die evangelische Kirche Recht daran, Frauen verkündigen zu lassen. Es entspricht nach guten Überlegungen über die Gesamtheit der Bibel Gottes Willen.

Mit freundlichem Gruß

Frank Muchlinsky

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