Darf ich wütend auf Gott sein?

Jacky
Mann sitzt verzweifelt mit Bibel an der Wand
Getty-Images/iStock/Wirestock

Hallo,

darf man eigentlich wütend auf Gott sein? In letzter Zeit habe ich viel über meine Vergangenheit nachgedacht und bin bei einigen Ereignissen manchmal sehr wütend auf Gott, weil er das zugelassen hat. Natürlich hatten diese Geschehnisse ihren tieferen Sinn, weil ich ohne sie nicht zum Glauben gefunden hätte. Jetzt frage ich mich, wie ich mit dieser Wut umgehen kann. Ich kann Gott ja schließlich nicht verzeihen, weil er der Allmächtige ist. Oder geht das? Vielen Dank im Voraus, Sie machen einen sehr guten Job mit der Beantwortung unserer Fragen!

Herzliche Grüße Jacky

Liebe Jacky, 

herzlichen Dank für Deine Frage. Was Du schreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. In meinem Leben gab es auch Momente, in denen ich wütend auf Gott war. Wut ist ja ein total mächtiges Gefühl. Die Wut erfasst mich und wenn sie das getan hat, lässt sie mich nicht so schnell wieder los, sondern braucht ein Ventil. Ich würde in Frage stellen, ob man sich tatsächlich gegen die Wut entscheiden kann. Von daher scheint mir der Versuch, sich zu verbieten, wütend zu sein, ziemlich aussichtslos. Bestimmt kann man lernen mit Wut umzugehen, aber ich denke, verbieten kann man sich Wut nicht. 

In der Bibel ist ja viel die Rede von Barmherzigkeit und Liebe. Von daher kann man schnell darauf kommen, dass Gefühle wie Wut eigentlich unangebracht wären, zumal gegenüber Gott. Allerdings ist die Bibel auch ziemlich voll von Wutgeschichten. Hiob z.B. ist ziemlich wütend auf Gott aufgrund all der Schicksalsschläge, die er erlebt (Hiob 16, 7) und die Psalmen sind voll von Klagen gegen Gott, die Betende ihm entgegen schleudern (z.B. Ps 88). Sogar Gott selbst kann zornig werden (z.B. Dtn 6,14f). Das Gefühl Wut hat also einen Platz in der Beziehung zwischen Menschen und Gott. 

Meine Beziehung zu Gott erlebe ich so, dass sie nicht immer gleich ist. Es ist so ähnlich wie bei den Beziehungen zu einem Familienmitglied oder zu einer Freundin. Manche Ereignisse führen zu Spannungen, dann und wann kann der Kontakt mal lose werden, dann wieder ganz intensiv. 

Für mich ist eine ganz wichtige Erkenntnis aus den Psalmen, dass die Klage selbst schon ein Gebet ist. Ich muss mich nicht erst wieder zurechtbringen und die Wut irgendwie zwanghaft verrauchen lassen, sondern mit all den Gefühlen, die in mir da sind, kann ich zu Gott kommen und es ihm hinwerfen. Du schreibst ja selber von Gottes Allmacht. Wie sollte Gott da zu schwach sein, um auch meine Wut aushalten zu können. Das schafft die Ewige schon. 

Du schreibst, dass viele Geschehnisse, die dich wütend gemacht haben, einen tieferen Sinn gehabt hätten, weil Du ohne sie nicht zum Glauben gekommen wärst. Mir persönlich würde das gar nicht gelingen, allen Ereignissen, die mich an meine Grenzen und darüber hinaus gebracht haben, einen Sinn abzuringen. Manches erscheint mir noch heute völlig sinnlos. Und ich glaube in der Tat, bei manchem habe ich Gott vielleicht auch verziehen. Ja, vielleicht kann man das in der Tat so nennen. 

Ich hoffe, ich konnte Dir bei deiner Frage etwas weiterhelfen. 

Herzlich

Katharina

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