Stress in der Schule

V. Wagner

Meine Frage zum Schuljahresendspurt wäre: “Mein Sohn (13) kommt jetzt, am Ende des Schuljahres, zunehmend gestresst aus der Schule. Noch so viele Klausuren! Und zwei Portfolio Arbeiten! Ich selber bin an den Wochenenden oft stinksauer, wenn die ganze Zeit für Schulsachen dahin geht, anstatt schöne Dinge zu unternehmen. Aber wenn ich ihn frage: Wie war es heute in der Schule? Kriege ich nur wütende Antworten. Schule ist Mist. Die Deutschlehrerin eine blöde Kuh. Aber ich erfahre nicht, wo er wirklich Probleme hat und meine Hilfe brauchen könnte. Was soll ich tun?”

Liebe Frau Wagner,

 

ich freue mich für Ihren Sohn, dass seine Mutter Interesse zeigt und ihn unterstützen möchte! Allerdings fürchte ich für Sie, dass sieht der Filius stellenweise anders …

Die letzten Wochen im Schuljahr sind für alle Beteiligten eine Tortur- vor allem für die Kinder! Ihre Fragen während des Mittagessens sind sicher gut gemeint. Gut sind sie nicht unbedingt. Ihr Sohn sollte doch abschalten können und das Essen genießen. Suchen Sie bitte nach Möglichkeit andere Themen: Freunde, Sport oder erzählen Sie selber kleine, nette Geschichten, die für ihn nachvollziehbar sind. Machen Sie das, was man früher Konversation, heute Smarttalk nennt: kleine, angenehme Tischgespräche über Oberflächliches. Hier ist allerdings eines gefragt: wie gut kennen Sie die Interessen Ihres Kindes? Was schaut er im Fernsehen? Was machen seine Freunde? Worüber lacht er gerne?

Ihr Interesse an der Schule ist gut und wichtig, aber lassen Sie ihm Luft. Dazu kommt noch: „Wie war`s in der Schule“ ist eine zu allgemeine Frage, sie ist zu wenig differenziert und  überfordert ihn. Deswegen kann er kaum anders reagieren als mit drastischem Fruststau, der sich zwar explosionsartig entlädt, aber leider im Verlauf des Gespräches scheinbar nicht zu Entlastung führt.

 

Wenn er sich etwas erholt hat, fragen Sie ihn erst nach den Pausen in der Schule, nach netten Erlebnissen,  nach den Themen, die besprochen werden in seinen Lieblingsfächern. Freuen Sie sich mit ihm und lassen Sie BITTE jede Art von Belehrung. Besserwisserei ist beste Art, die Kinder in ihre Zimmer zu treiben.

Dieser Tipp gilt auch, wenn sein Frust in ihm hochkommt. Hören Sie nur zu. Ermuntern Sie ihn weiterzusprechen, am besten durch Ihre Körpersprache. Schauen Sie ihn an, wenden Sie sich ihm zu. „Empathisches Hinhören“ nennen wir das und diese Art des Zuhörens ist ein Geschenk. Es bewertet nicht, es mischt sich nicht ein, es schenkt ausschließlich Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Sätze wie: „Es tut mir leid, dass du das so erlebst“, „Das ist sicher unangenehm für dich“, „Das fühlt sich blöd an, oder?“ zeigen ihm Ihr Interesse. Wenn Sie das Gefühl haben, er habe sich ausgequatscht, kann die Frage: „Was glaubst du, wie kann ich dir helfen?“ folgen. Aber wundern Sie sich nicht, wenn nicht sofort eine Idee kommt. Die muss reifen und dafür braucht Ihr Sohn Zeit. Oft ist die wertfreie Aufmerksamkeit alleine den Kindern schon eine große Hilfe- und sehr ungewohnt für alle Beteiligten. Die Zeit, die Sie auf diese Weise mit Ihrem Sohn verbringen, kann intensiver sein als jeder Ausflug.  Üben Sie die neue Art des Zusammenseins mit ihm gemeinsam. Aber erzählen Sie ihm nicht, was Sie da wollen und tun. Das merkt er dann schon.  Er ist ja Ihr Sohn. J

Nun wünsche ich Ihnen: Gott gebe Ihnen die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die Sie nicht ändern können. Er gebe den Mut, die Dinge zu ändern, die Sie ändern können und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

 

Herzlich

Ihre Heike Bauer-Banzhaf