Ich bin bei meinem Vater und meiner Stiefmutter aufgewachsen, zu beiden habe ich ein gutes Verhältnis – für mich macht es keinen Unterschied, dass meine Stiefmutter nicht meine leibliche Mutter ist. Jetzt haben sich die beiden getrennt und ich habe häufig das Gefühl, zwischen ihnen zu stehen. Am liebsten würde ich mich ganz raushalten, aber vor allem mein Vater gibt mir das Gefühl, ich sollte mich „auf seine Seite schlagen“, weil er ja mein leiblicher Vater ist und meine Mutter „nur“ meine Stiefmutter. Es fällt mir schwer, mich da rauszuhalten, vor allem wenn ich von beiden Seiten mitbekomme, wie sie unter der Trennung leiden…haben Sie einen Tipp für mich?
Lieber Simon,
Ihre Stiefmutter ist eine wichtige Bezugsperson für Sie und war jahrelang an der Seite Ihres Vaters. Wieso also sollten Sie als erwachsener Mann nun keinen Kontakt mehr zu ihr haben?
Ihr Vater hat sich doch sicher zu Beginn der Partnerschaft gewünscht, dass Sie ein gutes Verhältnis zu seiner neuen Frau haben. Und Ihre Stiefmutter wird sich in ihre schwierige Rolle auch nicht von heute auf morgen eingefühlt und
-gearbeitet haben. Das Verhältnis zu den Kindern des Partners ist gerade zu Beginn der neuen Liebe oft heikel und braucht Geduld, Entgegenkommen, Toleranz. Das alles hat sie aufgebracht, offensichtlich erfolgreich. Diese Frau nun links liegen zu lassen, wäre unfair und würde noch mehr Trauer und Enttäuschung hervorbringen. Also: behalten Sie ruhig den Kontakt bei. Aber: lassen Sie sich von keinem der beiden vor den Karren spannen, weder als Vertraute, noch als Schiedsrichter.
Natürlich wird Ihrem Vater nicht gefallen, dass die Beziehung zu seiner „Ex“ aufrechterhalten wird, denn er wünscht sich jemanden, der ihm „Recht gibt“ und bestätigt. Aber ist das Ihre Aufgabe als Sohn?
Sie können beiden zuhören, sie trösten und aufbauen, wenn Sie das möchten. Aber Sie sind kein Gericht, das freispricht oder verurteilt. Sagen Sie das beiden liebevoll und klar. Und halten Sie sich am besten zurück mit Bewertungen und Stellungnahmen. Das ist schwer und erfordert von Ihnen volle Konzentration auf Ihre Worte, wenn die Klagen der beiden frisch Getrennten laut werden. Bleiben Sie bewusst in der Rolle des guten Zuhörers. Vielleicht können Sie sich Ablenkungen überlegen, damit neue Themen auf den Tisch kommen.
Ich wünsche Ihnen Kraft und Gelassenheit, damit Sie die Verbindung zu den beiden wichtigen Menschen in Ihrem Leben aufrechterhalten können. Und dass die beiden bald wieder entspannter miteinander umgehen – es ist allerdings nicht Ihre Aufgabe dafür zu sorgen!
Herzlich
Ihre Heike Bauer-Banzhaf