Meine beiden Kinder (Mächen und Junge, 5 und 3) sind beinahe kramkhaft eifersüchtig aufeinander. Vor allem die Große ist auf alles neidisch, was der Kleine bekommt - oder gar zuerst bekommt (z. B. Nutella-Brot beim Frühstück). Ist der Versuch, abzuwechseln und absolut gerecht zu sein, vielleicht sogar kontraproduktiv?
Liebe Catherina,
ich kann mir gut vorstellen, dass Sie die Streitereien zwischen Ihren Kindern aufreibt. Die Situation, die Sie hier kurz anreißen, ist sicher komplexer als die wenigen Sätze schildern können.
Eifersucht bis zu einem gewissen Grad normal: sie ist eine wilde Mischung aus Gefühlen wie Neid, Ärger, aber auch Angst und Traurigkeit. Die Bedürfnisse, die sich hinter den Gefühlen verstecken, können u.a. sein: die Liebe, Nähe, Aufmerksamkeit der Eltern bekommen, gleichzeitig Abgrenzung und Distanz zum Geschwister herstellen wollen. Über allem steht der Wunsch, etwas ganz Besonderes, Einmaliges für die Eltern darzustellen. Sie und Ihr Mann wissen, dass Ihre Kinder ganz besonders sind, jeder für sich. Aber erfahren Ihre Kinder das auch als selbstverständlich?
Beide wollen die Beziehung zu Mama/Papa für sich schützen. Entsprechend versucht jedes Geschwisterkind mehr von den vorhandenen Ressourcen für sich selbst zu ergattern. Ein Geschwisterkonflikt hat folglich den Kampf um die elterliche Pflege als Grundlage. Evolutionär betrachtet macht das durchaus Sinn, wer die größte Aufmerksamkeit bekommt, überlebt leichter. Heute steht der Kampf ums nackte Überleben in unserer Gesellschaft allerdings im Hintergrund. Ihren Kindern ist das aber noch nicht bewusst. Sie kämpfen offensichtlich mit allen Mitteln um den ersten Platz in der Hierarchie. Die Gefühle der beiden sind stark. Sie haben vermutlich richtiggehend Stress.
Dementsprechend stelle ich Ihnen jetzt einige vorsichtige Fragen, die Sie gemeinsam mit Ihrem Mann diskutieren können. Bitte nehmen Sie sie als Anregungen für weitere Überlegungen. Ich möchte Ihnen helfen und manchmal sind Fragen bessere Anregungen als Tipps, vor allem, weil ich Ihre Familiensituation von hier aus natürlich nicht sehen kann.
Wie hat Ihre Tochter die Schwangerschaft miterlebt? Für Kinder, die ein Geschwister bekommen, ist wichtig zu erfahren: Die Liebe zwischen uns wächst mit jedem Tag, sie wächst mit jeder Person, die in unser Leben kommt. Liebe teilt sich nicht auf, sie wird immer mehr, immer größer, wie Mamas Bauch.
Welche Glaubensätze haben Sie und Ihr Mann (vermutlich völlig unbewusst) gelebt? Was hat die Kleine Oma/ Opa oder andere Bezugspersonen sagen hören: Hoffentlich wird es ein Junge? Mit Jungen ist die Schwangerschaft immer leichter? Vorurteile gibt es ja noch viele, die meisten sind genauso unwahr wie fest im Volksglauben verankert. Manche Sätze fallen bei kleinen Kindern auf (unbewussten) fruchtbaren Boden...
Wie waren die ersten Erfahrungen der Tochter mit der Ankunft des Bruders: Jetzt musst du ganz lieb sein, Mama braucht Ruhe? Hatten Sie Schmerzen oder Krankheiten während der Schwangerschaft, die die Kleine auf den Bruder bezogen hat?
Von den Eltern angestellte Vergleiche zwischen den Geschwistern, ob offen oder verdeckt, können zur Entstehung von Geschwisterrivalität beitragen, vermeiden Sie also bitte alles in diese Richtung: Guck mal, dein Bruder macht das so schön...Siehst du, er gibt dir was ab, und was machst du? Sei doch lieb... oder auch: Du bist aber gar nicht lieb...
Elterlich Einstellungen und Meinungen (und die anderer Bezugspersonen) werden von Kindern oft deutlich gespürt, auch ohne dass sie ausgesprochen werden. Die Körpersprache, der Klang der Stimme: so manche unterschwellig gesendete Nachricht kommt an und die Reaktion darauf ist in dem Maße unerklärlich wie das vorausgegangene Verhalten unbewusst und vielleicht völlig unbeabsichtigt ist.
Und eine letzte Frage habe ich: Wie verhalten sich Ihr Mann und Sie zueinander? Wie streiten Sie? Wie zeigen Sie Ihre Liebe vor den Kindern? Psychologen gehen davon aus: wenn beide Eltern gleich „mächtig“ sind, jedoch keine Koalitionen bilden, ist eine hohe Geschwisterrivalität eher möglich als wenn die Eltern eine liebevolle, starke Bindung zueinander haben. Ich hoffe, ich trete Ihnen mit dieser Frage nicht zu nah.
Was ist zu tun? Neben der bewussten Beobachtung, was Ihre Kinder so alles an Informationen abspeichern, habe ich folgende Tipps: Machen Sie pro Woche eine „besondere Stunde“ für jeden. Beide Kinder sollen lernen: Ich bin nicht gleich- ich bin eine eigene Person und genauso richtig wie ich bin. Vor allem Ihre „Große“ braucht Ihre Zuwendung, denn sie ist die, die den Thron verlassen musste wegen des kleinen Bruders. Das hat ihr vielleicht sehr weh getan ...Worte reichen nicht, lassen Sie Taten folgen.
Wichtig sind eigene, voneinander getrennte Kuschelecken, wenn kein eigener Raum für jedes Kind da ist. Heben Sie in den Ecken/ Zimmern die Besonderheiten und Eigenschaften jedes Kindes hervor.
Und zuletzt: Bei Eifersuchtsanfällen nehmen Sie das Kind in den Arm! Streicheln sie es, sagen Sie nichts dazu außer: ich habe dich ganz doll lieb. Ihr Kind hat Stress, steht unter Adrenalin- und Cortisol- Ausschüttung. Beides baut sich langsam wieder ab, z.B. durch Bewegung an der Luft und am besten durch ganz viel Liebe.
Liebe Catherina, ich wünsche Ihnen viel Kraft, gute Gespräche mit Ihrem Mann und noch mehr Liebe für Sie alle vier!
In Verbundenheit
Ihre Heike Bauer- Banzhaf