Liebe Frau Bauer-Banzhaf,
Wenn ich mit meiner Frau im Auto sitze, und sie fährt, kommt es immer wieder zu demselben Problem. Ich kann mich einfach nicht zurückhalten und mische mich ein. Sie reagiert dann immer total genervt, will mich aber auch nicht immer ans Lenkrad lassen. Sie fährt ganz gut, aber ich kann es einfach ab, dass sie auch in der Stadt immer au der rechten Spur bleibt, oder sobald eine Ampel auftaucht schon mal bremst, auch wenn die grün ist. Wie gesagt, es ist keine Lösung, dass ich fahre. Wie kann ich meiner rau schonend beibringen, das sie mal etwas zügiger fährt?
Mit freundlichen Grüßen
Gerd Hartlaub
Lieber Herr Hartlaub,
Jaja, die rechte Spur...wenn die wüsste, wie viele ehe- oder partnerschaftliche Kämpfe sie schon ausgelöst hat. Ob nun auf der Autobahn (auch ich kenne leidenschaftliche Rechtsfahrer mit einer ausgeprägten „linke Spur- Allergie“!) oder in der Innenstadt, wie Sie es beschreiben. Völlig egal, die rechte Spur treibt sowohl den Stresspegel als auch die eheliche Streitquote in die Höhe, sobald sie auftaucht...
Abschaffen können wir sie nicht, ich habe mich schon erkundigt. Das Verkehrsministerium hat meine Anfrage höflich, aber entschieden abgelehnt. Zu dumm. Nun müssen wir uns überlegen, wie wir mit ihr umgehen und brauchen „Verkehr“sregeln im weiteren Sinne. Innerautomobile Verhaltensmaßnahmen, sozusagen.
Überlegen wir gemeinsam: kommunikationstechnisch handelt es sich um eine klassische Sender- Empfänger- Situation. Ihre Frau tut etwas (brav rechts fahren, eher laaangsaaam), sie reagieren darauf mit männlichem Einfühlungsvermögen. (...jetzt fahr doch mal ein bisschen schneller, Mensch, ist doch alles frei...dir geben sie noch den ersten Preis im Schneckenrennen...ist ein Wanderpokal, das passt...!) Oder was Sie so reden, wenn Sie mit Ihrer Frau alleine sind. Im Auto. Bei Tempo 45 auf der dreispurigen Stadtautobahn... Ich will es mir gar nicht vorstellen...
Bleiben wir beide- Sie und ich, lieber Herr Hartlaub- hier jetzt möglichst sachlich, was schwierig ist, denn der sachliche Anteil ist in dieser Situation klein: 50 km/h sind erlaubt, meine Frau fährt im Moment 45 km/h. Das war`s. Mehr Sachanteil gibt es nicht. Der Löwenanteil geht- wie fast immer- an die Beziehungsebene und die Emotionen fahren Achterbahn. Bleiben wir wenigstens einigermaßen ruhig, wenn schon nicht sachlich, ok?
Ihre Frau hört Ihre Worte inklusive stimmlichem Ausdruck (leicht genervt, immer wieder tiefe, fast stöhnende Atemzüge), sieht ihr Gesicht (zusammengezogene Augenbrauen, Mundwinkel á la Merkel,), sie nimmt Ihre gesamte Körpersprache sehr deutlich wahr (Hände verknoten, Schultern verspannen sich). Sie beide sitzen sehr eng aufeinander, das macht die Reaktionen direkt und intensiv. Ihre Gattin reagiert auf Ihren ganzen Habitus ihrerseits mehr oder weniger erregt, ehelich- vertraut und...äähm, sagen wir ...unverstellt. (Ich fahre, jetzt lass mich doch in Ruhe, du immer mit deiner Meckerei...) Vielleicht schließt sich noch eine herzerfrischende Diskussion über männliches und weibliches Verhalten im Allgemeinen und Besonderen an. Dabei wird der Fahrstil Ihrer Frau vermutlich nicht souveräner und die Durchschnittsgeschwindigkeit noch geringer. Wunderbar. Ping, Pong, hin und her geht es und die Luft wird immer dicker. Sachlichkeit, du entrückst in weite Ferne und nimmst jede Ruhe mit dir...
Ich persönlich glaube, es gibt kein besseres Gelassenheitstraining als gemeinsam Auto zu fahren. Da ist wirkliches Looooslassen angesagt. Das Loooslassen der Einflussnahme, das Looslassen der Erwartungen, das Loslassen der Bewertungen, Meinungen, Interpretationen. Himmel, hilf, ist das anstrengend! Allerdings lehr- und hilfreich, denn es übt ungemein so schöne Eigenschaften wie Zurückhaltung, Respekt, Vertrauen und Toleranz. Nicht umsonst heißt „tolerare“ erleiden, erdulden...
Ja, so eine Übungsstunde ist zu Beginn so leidvoll wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt, ich weiß das! Und selbst nach vielen, vielen Trainingseinheiten rutscht während einer Fahrt immer mal wieder ein „gut gemeinter“ Rat über die Lippen. Generell allerdings, mit Disziplin, Spucke, gutem Willen und viel Humor, wird es besser. Langsam, ganz laaangssaaam...
Bis Sie Buddha- gleich neben Ihrer Frau sitzen können (und umgekehrt), machen Sie doch eine Autofahrkasse auf: Fünf Euro für jede Einmischung. Was glauben Sie, wie schnell da ein gemeinsamer Erholungsurlaub drin ist. Ohne Auto, bitte.
Lieber Herr Hartlaub, ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau allzeit gute Fahrt miteinander.
Mit tiefem Verständnis grüßt Sie
Ihre Heike Bauer- Banzhaf