"JC" als "Mister Perfect"?

Isi Faust
Jesus Festival
© Edward Cisneros / Unsplash
Pastor Frank Muchlinsky erläutert einige Zugänge und Erklärungen zu Jesus.

Hallo zusammen,
Obwohl ich schon lange im Glauben unterwegs bin, beschäftigt mich seit geraumer Zeit das Thema Jesus Christus existentiell. Ich empfinde es für mich so, als ob ich mich ihm immer mehr „entfremde“. In unserer Gemeinde geht es immer um Jesus, Jesus, Jesus. Für mich ist Gott der Vater viel näher und menschlicher geworden im Laufe der Jahre. Jesus kommt mir immer abgehobener vor, „Mr. Perfect“, der nur dauernd abgehobene moralische Forderungen stellt, einen lupenreinen Lebensstil vorgelebt hat und selbst nun von uns verlangt. Gott selbst wird für mich aber immer menschlicher dabei und väterlicher, gütiger und verständnisvoller. Früher war das ganz anders, ich kann meine Entwicklung selber nicht verstehen. Zumal es ja so entscheidend als Christ ist, Jesus Christus als den „Herrn über alles“ anzuerkennen. Eigentlich denke ich sogar, dass JC und der Vater ein und dasselbe sind, und auch der Vater in Menschengestalt sich selbst geopfert hat, das könnte ich am ehesten nachvollziehen, aber da spricht die Bibel doch eher eine andere Sprache. Bin zunehmend verwirrt und fühle mich sehr unwohl damit. Könnt Ihr mir weiterhelfen? Viele Grüße Ina Faust

Liebe Frau Faust,

es tut mir leid, dass Sie sich unwohl fühlen, und ich will gern versuchen, etwas zu schreiben, das dagegen ein wenig hilft. Aber wie fange ich an? Vielleicht so: Sie sind nicht allein. Im Gegenteil: Die Frage, wie diejenigen, die Jesus nachfolgen, mit ihm selbst umzugehen haben, hat das Christentum schon immer beschäftigt. War er nun der Heilsbringer oder das Heil selbst? War er Mensch oder Gott oder beides? Wollte er, dass die, die ihm folgten, die Tora noch genauer befolgten als bisher geschehen? Oder wollte er deutlich machen, dass es darauf ankommt, in Gottes Geboten vor allem das Gebot der Liebe zu Gott und zu den Nächsten zu erfüllen?

Für all diese Aussagen gibt es Argumente und viele Menschen, die genau das glauben und bekennen. Das hat immer wieder zu Auseinandersetzungen unter den Christenmenschen geführt. Und unterschiedliche Gemeinden und Kirchen setzen da auch unterschiedliche Schwerpunkte. Sie sind anscheinend in einer Gemeinde „gelandet“, in der der biblisch bezeugte Jesus im Vordergrund steht, der einerseits eben menschlich rüberkommt und andererseits ein unerreichbares Vorbild ist. Diese Art von Jesusfrömmigkeit kann in der Tat dazu führen, denjenigen zu „vernachlässigen“, den Jesus uns so nahegebracht hat: Eben Gott.

Wenn Sie schreiben, dass Gott Ihnen immer näher, ja menschlicher wird im Laufe der Zeit, ist es genau das, was Jesus wollte. Dafür sprechen unsere Bekenntnisse ebenso wie die Bibel. Wenn wir Jesus als den einen Jesus als den Sohn Gottes bekennen, dann sagen wir damit: Durch ihn kam Gott direkt in die Welt. Wenn in der Bibel steht, dass Jesus uns das Vaterunser beigebracht hat, sagt er damit, dass wir alle Kinder dieses Gottes sind. Jesus wollte uns Menschen also nicht zu sich ausrichten in dem Sinn, dass wir ihn zum „Mr. Perfect“ machen. Auf so etwas hat er, laut Bibel, sogar sehr allergisch reagiert, wie diese kleine Szene zeigt: „Und als er hinausging auf den Weg, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als der eine Gott.“ (Markus 10,17-18)

Was die Bibel über Jesus schreibt und was wir in unseren Glaubensbekenntnissen sprechen, ist nicht deckungsgleich, beides ist für uns Christenmenschen aber wichtig. Wenn Sie gerade mehr auf der „Bekenntnis-Seite“ zu Hause sind, ist das völlig in Ordnung. Wichtig ist, dass Sie sich deswegen keine Vorwürfe machen (lassen).

Herzliche Grüße

Frank Muchlinsky

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