Nichts totschweigen

Tanja Koch

Sehr geehrter Herr Muchlinsky,

Vor einigen Jahren bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten. Die Gründe sind vielseitig von der Vergangenheit mit Hexen Verfolgung, ausliefern von Juden an die Nazis, Kinderschändung, Kinderhandel und nicht zu letzt wegen persönlichen Gründen auf Grund meiner streng katholischen Großeltern und weiteren negativen Ereignissen mit der katholischen Kirche.

Ich bin dennoch gläubig weil ich denke, dass all diese Ereignisse nur durch menschlichen Fehlverhalten entstanden sind, aber ich kann keiner Gemeinschaft angehören, die Verbrechen totschweigt und mit einer Beichte soll alles wieder toll sein. Die katholische Kirche hält ihre Gemeinschaft immer auf Abstand, weicht unangenehmen Fragen aus, zeigt sich nur in den Medien als angeblich offen und predigen vor Gott sind alle gleich, aber in der Wirklichkeit machen sie den Unterschied.

Was ist in der evangelischen Kirche anders?

Liebe Frau Koch,

 

in der Theologie sagen wir: Die Kirche ist ein „corpus permixtum“. Das bedeutet, dass in ihr das Evangeliumsgemäße, das Gute, das Heilvolle, das Gottgemäße und das je Andere bleibend ineinander vermischt sind. Die Kirche wird schuldig, wie auch jede/r Einzelne. Zugleich ist Kirche auch immer der Ort, wo das Reich Gottes zeichenhaft erfahrbar ist.

 

Nun suchen Sie eine Heimat für Ihren Glauben. Evangelische Kirchen sind vielfältig. Sie können in ihr ganz unterschiedliche Atmosphären erleben, Angebote, Gottesdienste und Predigtstile. Auch die evangelische Kirche und ihre AmtsträgerInnen sind nicht vor Fehlern gefeit. Zu meinem Bild der evangelischen Kirche gehört aber, dass sie fehlerfreundlich ist. Dass sie sensibel ist, das gleiche Falsche nicht noch einmal zu tun. Wir können Schuld eingestehen, weil wir darum wissen, allein aus Glauben vor Gott gerechtfertigt zu sein. Da kommt nichts „hinzu“.

 

Natürlich gibt es auch noch andere unterschiedliche Einsichten in den christlichen Glauben zwischen den Kirchen, etwa im Verständnis der Eucharistie/ des Abendmahls oder in der Frage, ob Männer und Frauen gleichermaßen geistliche Ämter bekleiden dürfen. Aber ich habe den Eindruck, dass es Ihnen darum nicht geht.

 

Eine Heimat in der evangelischen Kirche können Sie wohl am besten finden, indem Sie ihre Orte aufsuchen und einen für Sie passenden wählen. Nur Mut, evangelische Kirchengemeinden sind gastfreundlich und Orte des Gesprächs.

 

Viele Grüße

Friederike Erichsen-Wendt