Sehr geehrter Herr Muchlinsky, was ist "Evangelisch sein". Wir lässt sich das beschreiben, ohne den Vergleich mit Katholisch, etc. Was sind die Dinge, die es ausmachen, die "Selling Points"?
Guten Tag,
Sie stellen eine kurze Frage, auf die ich versucht bin, lang zu antworten. Ich fasse mich kurz, auf die Gefahr hin, Ihnen evangelische „Alleinstellungsmerkmale“ sehr plakativ zu formulieren – die Sie positiv dargestellt wissen wollen, i.S.v.: nicht in Abgrenzung zu anderen Konfessionen. In der Zusammenschau dieser Punkte, in denen ich mich auf „Sichtbares“ in den Ausdrucksformen des Evangelisch-Seins beziehe, erhalten Sie einen Eindruck der evangelischen Frömmigkeitskultur:
Dass die Heilige Schrift, wie Sie uns in der Bibel überliefert ist, allein Maßstab und Richtschnur des Glaubens ist, ist hermeneutisch für evangelischen Glauben zentral. Damit alle Getauften die Bibel lesen und für sich verstehen können, haben Bildung und religiöse Unterweisung in der evangelischen Kirche von je her eine Schlüsselfunktion. Dem dient im übrigen auch die evangelische Kirchenmusik, die „mit anderen Mitteln“ diese Glaubensinhalte vermitteln will. Theologisch ist dies darin begründet, dass jeder Christenmensch für seinen Glauben Rechenschaft ablegen können soll. Das ist typisch evangelisch. Im gottesdienstlichen Leben sind es die funktional orientierte Kirchenräume, das Abendmahl, das alle ChristInnen unabhängig von ihrer konfessionellen Zugehörigkeit einlädt, sowie die Konfirmation als nachgeholtes Taufbekenntnis, die typisch evangelisch sind. Dass in den meisten evangelischen Kirchen Frauen zu Geistlichen ordiniert werden, ist ebenso evangelisch wie ein starkes synodales Element in der Leitung der Kirchen, in denen Laien die Mehrheit haben.
Herzliche Grüße