Sehr geehrter Herr Muchlinsky,
ich habe zur Zeit viel Stress und viel zu tun und in diesen Zeiten beherrscht mich die Panik und ich sehe nur noch meine Verzweiflung. Ich versuche zwar zu beten und mich an Gott zu wenden. Aber es fällt mir in solchen Momenten schwer, mich Gott ganz und gar anzuvertrauen und mein Vertrauen und meine Hoffnung darauf, dass alles gut wird, aufrecht zu erhalten.
Wie kann man gerade in schwierigen Zeiten sein Gottesvertrauen beibehalten? Haben Sie Tipps und Tricks?
Danke schon einmal.
Liebe Sophia,
Stress ist wirklich eine hinterhältige Sache, denn er wirkt wie ein Katalysator für alles, was es uns schlecht gehen lässt: Aus Unruhe wird Rastlosigkeit, aus Angst wird Panik, Zweifel werden groß und grundsätzlich und so weiter uns so fort. Stress setzt uns unter Druck, weil wir uns selbst nicht genügen. Dieses "Symptom" erkenne ich auch in dem, was Sie schreiben. Sie schreiben, dass Sie versuchen zu beten und sich Gott ganz anzuvertrauen. Das ist schön in Zeiten, in denen man weitgehend guter Dinge ist. Sie sind aber unzufrieden mit sich selbst, weil Sie das Gefühl haben, nicht richtig beten zu können, nicht wirklich auf Gott vertrauen zu können. Das ist ein sehr typisches Stress-Symptom: Ich brauche Ruhe, finde sie nicht und mache mich selbst auch noch dafür verantwortlich.
Darum lautet mein allererster Vorschlag an Sie so: Wenn Sie derzeit kein Gottvertrauen haben, brauchen Sie nicht auf das beten zu verzichten. Es gibt keine Voraussetzung für ein "gutes" Gebet, außer, dass ich mich eben an Gott wende. Sie zweifeln gerade daran, dass "alles gut" wird? In Ordnung, dann bringen Sie doch genau das im Gebet vor Gott. Ich habe hier auf dieser Seite schon häufig auf die Klagepsalmen der Bibel verwiesen und möchte das auch jetzt tun. Wenn Sie sich diese wunderbaren Gebete anschauen, werden Sie feststellen, dass dort das Gottesvertrauen nicht am Anfang steht, sondern am Ende des Gebetes. Es ist das Resultat, nicht die Voraussetzung für das Gebet.
Klagen Sie Gott, was Ihnen fehlt! Fordern Sie Ihr Gottvertrauen von ihm wieder zurück und glauben Sie nicht, Sie müssten das mitbringen, damit Ihr Gebet "gelingt". Wir dürfen das genau so tun. Selbst Jesus hat Gott vorgeworfen "Warum hast Du mich verlassen?" (Mt 27,46), und damit hat er den Beginn von Psalm 22 zitiert.
Also, bringen Sie Ihren Stress vor Gott anstatt im Gebet Ihren Stress zu vergessen, und hoffen Sie, verlangen Sie sogar von Gott, dass er Ihnen weiterhilft. Ich gebe keine Garantie, dass das wirkt, aber es ist eine sehr gesunde Weise zu beten.
Alles Gute!
Ihr Frank Muchlinsky