Wird man im Traugespräch nach seinem Glauben gefragt?

Helen Lange

Lieber Herr Muchlinsky,

mein Partner und ich sind seit wenigen Monaten verlobt und überlegen nun, ob wir unsere Eheschließung auch im Rahmen eines evangelischen Gottesdienstes feiern möchten.
Dabei stellen wir uns natürlich zunächst die Frage nach dem Warum? bzw. warum wäre uns eine kirchliche Trauung wichtig. Wichtig zu erwähnen ist dabei, dass mein Verlobter evangelisches Kirchenmitglied ist, ich jedoch nicht getauft oder konfirmiert bin.
Meine Familie ist traditionell evangelisch-lutherisch, aufgrund verschiedener historischer Ursachen bin ich jedoch als 1. Generation nicht getauft, wurde jedoch mit den christlichen Werten erzogen inklusive "Bibellektüre".

Ich würde mich als theistische Agnostikerin bezeichnen, d.h., ich bin mir nicht sicher, ob es einen Gott gibt -wobei ich in Diskussionen schon oft nicht sicher bin, was gläubige Christen mit "Gott" definieren- aber ich glaube daran, dass es Jesus Christus gab. In einem evtl. Traugespräch wird ja sicherlich gefragt werden, warum ich für meine Ehe einen Gottessegen möchte. Dies impliziert aber, dass ich an Gott glaube, oder nicht? Meine Beweggründe für eine kirchliche Trauung sind zum einen, dass ich damit die christlichen Werte und Traditionen als Gerüst/Rahmen meiner Ehe und späteren eigenen Familie begründen möchte, meine Kinder sollen eine moralische Orientierung im Leben haben, zum anderen weil meine Familie traditionell religiös war und ich diese Tradition wieder beleben möchte.

Ist es in Anbetracht dieser Beweggründe vertretbar, die Frage, ob ich an Gott glaube, in einem Traugespräch mit Ja zu beantworten?

Liebe Frau Lange,

 

Wie schön, dass Sie heiraten möchten! Wie schön, dass Sie überlegen, das auch kirchlich zu tun! Als erstes möchte ich ein wenig Druck aus dem Kessel lassen. Da Ihr Verlobter Mitglied der evangelischen Kirche ist, können Sie in jedem Fall kirchlich heiraten – gleichgütlich, ob Sie selbst an Gott glauben, die Bibel kennen, christliche Werte bevorzugen oder nicht. Es reicht, wenn einer von Ihnen Kirchenmitglied ist, und es wird von Ihnen kein Bekenntnis erwartet.

Außerdem ist es völlig egal, ob Sie getauft sind oder nicht, wenn es um die Frage geht, ob Sie Ihren Kindern einmal christliche Traditionen und Werte vermitteln werden. Wenn Sie sich sagen, dass Sie Ihren Kindern gern Bibelgeschichten vorlesen möchten, dann machen Sie das einfach. Dafür brauchen Sie auch keine christliche Trauung. Ich will damit sagen, dass dieser Wunsch von Ihnen kein Grund für eine kirchliche Trauung sein muss.

 

Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass man Sie fragen wird, warum Sie für Ihre Ehe einen Segen wünschen. In der Regel sind wir Pfarrerinnen und Pfarrer froh, wenn jemand um Gottes Segen bittet, und wir bohren nicht erst nach, bevor wir ihn zusprechen. Es ist allerdings durchaus möglich, dass man Sie danach fragen wird, was Ihnen der Segen bei der Trauung bedeutet. Ich selbst frage das jedes Brautpaar, weil ich verstehen möchte, was die beiden unter Segen verstehen, was sie erwarten, was sie sich wünschen.

Ich lese Ihre Zeilen und freue mich über Ihre Gedanken. Anscheinend tun Sie nicht einfach etwas, weil man das eben so tut, sondern Sie wollen etwa aus Überzeugung tun. Wäre ich Ihr Pfarrer, würde ich Sie also nicht fragen, ob Sie an Gott glauben. Und täte ich es doch, dann würde ich mich mit jeder Antwort zufrieden geben. Ihre Antwort scheint im Moment zu lauten "Ich weiß es nicht." Nun, dann fragen Sie sich vielleicht einmal nicht, ob Sie glauben, dass Gott "existiert". Fragen Sie sich einmal nicht, wie Sie Gott "definieren" würden, sondern fragen Sie sich, was sie gern von Gott hätten, wenn er existieren würde. Fragen Sie sich, ob Sie darum gern bitten würden und ob Sie sich das gern zusprechen lassen würden bei Ihrer Trauung. Vielleicht hilft Ihnen das bei Ihrer Entscheidung, ob Sie sich trauen lassen möchten, weiter.

 

Ich wünsche Ihnen bei der Entscheidungsfindung alles Gute – wie überhaupt für Ihre Partnerschaft!

Ihr Frank Muchlinsky