Kommt man für eine Abtreibung in die Hölle?

Alina
Foto: Milkos/iStockphoto/Getty Images

Ich habe in der Schule sie Aufgabe bekommen in meiner Religion eine Frage zu stellen. Nun hier ist meine Frage: Wenn man Schwanger ist und weiß das das Kind mit einer geistigen Behinderung zur Welt kommt und man es abtreibt, kommt man dann in den Himmel oder in die Hölle?
Ich denke Gott erschafft jeden Menschen so wie er es für richtig hält und da man mit einer Abtreibung diesen Menschen tötet kommt man doch in die Hölle oder nicht? Ich würde gerne wissen was sie davon halten!:) schönen Sonntag noch!
Liebe Grüße Alina :)

Liebe Alina,

 

Ihre Frage ist eine sehr wichtige und sehr ernste Frage. Und da haben Sie der christlichen Religion gleich eine sehr schwere Schulaufgabe gestellt!

Jede Christin und jeder Christ hat die Freiheit, einige Fragen im Glauben für sich zu beantworten. So ist das zum Beispiel mit der Vorstellung, dass man für die Tötung eines (ungeborenen) Menschen in die Hölle kommt. Sie werden Menschen finden, die das so glauben und bejahen. Für mich persönlich ist das nicht so leicht zu beantworten. Ich möchte Ihnen sehr zustimmen, dass Gott Menschen so erschafft, wie Gott es für richtig hält. Und wenn der kleine neue Mensch eine geistige Behinderung hat, dann ist das kein Grund für weniger Liebe und Freude über die Geburt eines Kindes, das eine Besonderheit hat. Auch das und gerade das ist ein Zeichen von Gottes Liebe. Denn Gottes Liebe kennt keine Grenzen.

 

Nun leben wir aber in einem Land, in dem wir die Freiheit genießen, in solchen kniffligen und schweren Entscheidungen und Fragen doch auch selbst zu entscheiden. Wenn eine werdende Mutter sich nach ausführlichem Nachdenken zusammen mit ihrer Familie dafür entscheidet, eine Schwangerschaft abzubrechen, weil das kommende Kind eine schwere Behinderung hat – dann hat jede Frau, die so schwere Fragen für sich zu beantworten hat, das Recht, sie selbst zu entscheiden und sie hat auch das Recht, dafür nicht verurteilt zu werden. Denn wir haben sehr gute Ärztinnen und Ärzte in diesem Land und wir können darauf bauen, bei einer schwierigen Schwangerschaft gut beraten zu werden: welche Lebenschancen das Kind hat, welche Schwierigkeiten nach der Geburt oder später im Leben kommen könnten usw. Über all das ist ganz bestimmt lange nachgedacht und gesprochen worden. Keine schwangere Frau wird sich also leichten Herzens für so einen Schritt entscheiden. Aber: Sie hat – wenn Ärzte und andere Gesprächspartner die Frau ausreichend beraten haben (das ist vom Gesetz genau geregelt) - das Recht der Entscheidung.

 

Aber Sie, liebe Alina, fragen: Was sagt Gott nun zu dieser Entscheidung? Sie sagen: Abtreibung ist in diesem Fall wie Mord – und für Mord ist eine Strafe zu erwarten.

Das ist Ihre Freiheit, das so zu sagen und zu glauben. Es gibt darin nicht so leicht „richtig“ oder „falsch“. Es gibt aber doch unterschiedliche Wege, diese Sache zu sehen und niemand glaubt deswegen „weniger“ oder „schwächer“, weil man es anders sehen kann.

Mir fällt in solchen schwierigen Situationen immer ein für mich sehr wichtiges Wort von Jesus ein. Es steht in der Bergpredigt im Matthäusevangelium, im 7. Kapitel: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn wie ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden.“ (Mat 7,1) Jesus sagt uns damit, dass wir als Menschen nicht das letzte Wort darüber haben, zu beurteilen, was andere Menschen tun. Wir können eine Meinung dazu haben und wir dürfen uns darüber streiten. Aber wir sollten niemandem die Hölle androhen – schon gar nicht in einer solchen Entscheidung. Denn auch darüber, was die Hölle ist und wie das mit dem „Hineinkommen“ ist – auch darüber gibt es eine Menge menschlicher Vorstellungen und vor allem viele Ängste – aber niemand wird das zu entscheiden haben außer Gott selbst. Uns Christen sollte aber unser Zusammenleben hier in unserer Lebenszeit wichtiger sein als die Angst vor der Hölle. Denn Jesus, der uns in unserem Glauben mit allen Christen verbindet, hat die Frage nach der Angst vor dem Endes des Lebens und vor dem, was dann passiert, ein für alle Mal beantwortet. Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, steht in Kapitel 1,17 und 18: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.(Offb 1,17) . Ich glaube, liebe Alina, dass ich die Frage nach der Hölle also nicht selbst beantworten muss – denn ich weiß auch nicht, wie es im Herzen von Menschen aussieht, die vor solchen Entscheidungen stehen. Den Schlüsselbund zum Himmel und zur Hölle haben wir Menschen nicht. Kümmern wir uns lieber gut um die, mit denen wir zusammenleben!

 

Herzliche Grüße

Veronika Ullmann

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